Hotz, Gerhard. Die Bestattungsplätze des Klosters St. Johann : anthropologische Auswertung einer frühmittelalterlichen bis neuzeitlichen Skelettserie unter spezieller Berücksichtigung spurenelementanalytischer Fragestellungen. 2002, Doctoral Thesis, University of Basel, Faculty of Science.
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Official URL: http://edoc.unibas.ch/diss/DissB_6973
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Abstract
Von einer umfangreichen Skelettserie der archäologischen Grabung Kloster St. Johann (Müstair) wurden von insgesamt 1'133 Skeletten die Individualdaten erhoben und diese in einen archäologischen Gesamtzusammenhang gebracht. Zeitlich liess sich die Serie in sieben Horizonte einteilen: karolingisch, romanisch, spätmittelalterlich, frühneuzeitlich, neuzeitlich, 19. und 20. Jh.
In den Klostergebäuden, den Innenhöfen und im Friedhof liessen sich in ihrer Bedeutung und Entwicklung unterschiedliche Bestattungslokalitäten erfassen. Die unterschiedliche soziokulturelle und diachrone Zuordnung der 16 Bestattungsorte prädestinierten diese Skelettserie zu sozialspezifischen Fragestellungen. Im Vordergrund stand vor allem ein allfälliger gesundheitsspezifischer Unterschied zwischen den Innen- und Aussenbestattungen. Erste Analysen seitens der Paläopathologie und der Paläoepidemiologie ergaben vielsprechende Resultate. Um die vermuteten sozialspezifischen Unterschiede qualitativ und quantitativ zu erfassen, wurden Spurenelementuntersuchungen (Energiedispersive-Röntgenfluoreszenz) als Analysemethode gewählt. Diese Methode lässt aufgrund z.B. des Elementes Strontium, welches sich bei einer getreidereichen (resp. mineralreichen) Ernährung im Knochen anreichert, zu ernährungsrelevanten Fragestellungen heranziehen. Systemimmante Kritiken von Burton und Wright (1995) wurden berücksichtigt.
Für die Spurenelementanalytik musste die spezielle Lebensumwelt einer subalpinen Bevölkerung und die daraus resultierende Ernährung berücksichtigt werden. Neben dem Getreideanbau, spielte die Viehzucht und die damit verbundene Milchverarbeitung eine wichtige Rolle.
Von entscheidender Bedeutung für die Spurenelementanalyse war die Frage, ob die untersuchte Bevölkerung selbstversorgend war, denn durch Getreideimporte wären die Ernährungsdaten verfälscht worden. Da in Müstair für den Ackerbau nur eine begrenzte Fläche zur Verfügung stand, waren Recherchen betreffs Getreideertragszahlen eminent. Die Frage der Selbstversorgung wurde aufgrund von Ertragszahlen und Statistiken von Müstair des 18. und des 19. Jh.‘s positiv beantwortet.
In einem zweiten Schritt wurde in Erfahrung gebracht, inwiefern sich der soziale Status einer Bevölkerungsgruppe auf ihre Essgewohnheiten ausgewirkt haben könnte und inwieweit sich ein solcher Unterschied letztendlich im Spurenelementgehalt der Skelette manifestiert hätte. Zu diesem Zweck wurde die Literatur nach Beschreibungen möglichst authentischer und sozialtypischer Speisepläne aus dem subalpinen Raum durchgegangen. Methodologisch weist die Verwendung solcher Speisepläne Schwachstellen auf, da die in der Literatur zitierten Essgewohnheiten meistens beschreibender und selten quantitativer Natur waren. Es konnten drei sozialspezifische Pläne eruiert werden. Aufgrund der Speisepläne konnte die tägliche Kalzium- und Strontiumaufnahme sowie die daraus folgenden Sr-Gehalte, resp. die Sr/Ca-Quotienten im Knochen abgeschätzt werden. Einschränkend musste erwähnt sein, dass keine lokalen Strontium- und Kalziumdaten von Nahrungsmittel der Münstertaler Umgebung verwendeten wurden. Die erfassten Resultate konnten insofern nur als hypothetisch anerkannt werden. Die berechneten „sozialtypischen“ Strontiumwerte lagen in einem Bereich zwischen 100 und 600 ppm. Eine sozialspezifische Unterscheidung der zu erwartenden Strontiumkonzentrationen im Knochen aufgrund der recherchierten Ernährungsgewohnheiten hätte rein theoretisch kein Problem darstellen sollen.
Resultate der Spurenelementanalyse
Von total 861 Proben wurden 389 Individualproben zur Rekonstruktion der Ernährungsgewohnheiten herangezogen. Markant fiel die klare Trennung zwischen den Bestattungsgruppen des Süd- und des Ostflügels des Nordkreuzganges und den Bestattungsgruppen aus dem Gang {28} und dem Friedhof auf. Erstere wiesen durchschnittliche Sr-Werte von ca. 240 ppm und ca. 280 ppm auf. Hingegen zeigten Letztere Sr-Gehalt von ca. 450 ppm und ca. 500 ppm. Die klare Trennung der Gruppen des Süd-, sowie des Ostflügels und des Friedhofs entsprach dem zu erwartenden sozialspezifischen Muster. Innenbestattungen werden im allgemeinen mit sozial privilegierten Schichten in Zusammenhang gebracht, welche üblicherweise einen leichteren Zugang zu tierischen Nahrungmitteln gehabt hatten und daher tiefere Sr-Konzentrationen hätten aufweisen sollen. Die beachtlichen Sr-Differenzen zwischen den Bestattungsgruppen wurden durch die Resultate der eruierten historischen Speisepläne bestätigt. Weshalb die Innenbestattungen des Ganges {28} erhöhte Sr-Werte aufwiesen, musste vorerst dahingestellt bleiben.
Alle Einflüsse, die eine Einwirkung auf die Sr-Konzentrationen der Knochen haben könnten, mussten kritisch geprüft werden:
-ernährungsbedingte Unterschiede
-intra-ossäre, intra-individuelle, resp. inter-individuelle Variabilität
-unterschiedliche Liegebedingungen (Innen- und Aussenbestattungen)
-Bestattungstiefe
-zeitliche Kummulation von Strontium
-unterschiedliche Verteilung der Sr-Konzentrationen im Boden mit einer entsprechenden Kontamination des Knochens
Intra-ossäre und intra-individuelle Variabilität:
Aufgrund unterschiedlicher anthropologischer Bearbeiter der Müstairer Skelettserie wurden in den frühen Grabungsetappen vor allem vom anterioren Femurschaft Proben entnommen, was hauptsächlich die Bestattungen des Nordkreuzganges betraf. In den folgenden Etappen wurde hingegen vorwiegend der posteriore Femur beprobt. Hier waren vor allem die Individuen des Ganges {28} und die des Friedhofs betroffen. Die beiden anatomisch unterschiedlichen Probeentnahmeregionen und die durchschnittlichen Sr-Konzentrationen korrelierten miteinander. Möglicherweise widerspiegelte sich in den Sr-Werten nur die unterschiedlichen Probeentnahmeregionen, d.h., die intra-ossäre Variabilität des Knochens müsste als Ursache in Betracht gezogen werden. Die intra-ossäre, resp. intra-individiduelle Variabilität der Sr-Konzentrationen im Knochen stellt eine allgemeine Problematik dar. Die Fragestellung zum quantitativen Einfluss der intra-ossären Variabilität wurde bisher in der Forschung nicht oder ungenügend berücksichtigt. Vergleichbare Resultate lagen daher nur in geringem Umfang vor. Um den Einfluss der Probeentnahmeregion abschätzen zu können, wurden zusätzliche 217 Proben erstellt, wobei allein 46 Proben auf einen in seiner Längs- und Querrichtung zersägten Femur entfielen. In besagtem Femur konnte eine beidseitig zur Schaftmitte abnehmende Sr-Konzentrationstendenz festgestellt werden. Zudem war die intra-ossäre Variabilität an den Epiphysen wesentlich höher, als im Bereich der Schaftmitte. Der anteriore Schaft wies die geringere Variabilität auf, als der posteriore Schaft. Interessanterweise veränderte sich die Sr-Konzentration entlang der Längsächse geringfügiger als von anterior nach posterior. Die Variationskoeffizienten lagen entlang der Längsachse bei 5-6%, hingegen für die Longitudinalachse bei 11%.
Die Problematik der Seitigkeit wurde aufgrund zweier voneinander abhängiger Stichproben des linken und des rechten Femurs abgeklärt. Der bilaterale Varationskoeffizient lag bei 19.1%. Es konnte kein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Stichproben nachgewiesen werden. Die Probeentnahmeregion, ob vom linken oder vom rechten Femur spielte also keine Rolle. Ebenso war es unwesentlich, ob die Probenentnahme vom anterioren oder vom posterioren Schaft geschah.
Bestattungstiefe und zeitliche Kummulation von Strontium:
Bei den Bestattungen des Friedofbereichs liess sich eine geringe Korrelation zwischen der Bestattungstiefe und der Sr-Konzentration nachweisen, denn die Sr-Werte steigen mit zunehmender Grabtiefe geringfügig an. Karolingische Bestattungen zeigten leicht höhere Sr-Konzentrationen als die spätmittelalterlichen oder neuzeitlichen Individuen des Friedhofs.
Unterschiedliche Liegebedingungen (Innen- und Aussenbestattungen):
Bei den Bestattungen des Süd-, resp. Ostflügels und des Ganges {28} handelte es sich um Innenbestattungen. Die Räumlichkeiten der drei Gruppen stiessen T-förmig aufeinander. D.h., es dürften bei allen drei Gruppen ähnliche, vorwiegend trockene Liegebedingungen geherrscht haben. Für die Bestattungen des Ganges {28} musste einschränkend erwähnt werden, dass diese möglicherweise während einer bestimmten Zeitspanne ohne Überdachung der Witterung preisgegeben waren. Sollte dies der Fall gewesen sein, so könnte dies durchaus Einfluss auf den Erhaltungszustand des Knochens gehabt haben. Für die Bestattungen des Friedhofes herrschten Liegebedingungen des Aussenmilieus. Eindeutig war die klare Trennung der Bestattungsgruppen bezüglich der Sr-Konzentrationen, die mit der Raumeinteilung übereinstimmte.
Der Einfluss der Erhaltungsbedingungen von Innen- und Aussenbestattungen wurde aufgrund einer kleinen Stichprobe von Rinderknochen aus dem Nordkreuzgang und aus dem Friedhof getestet. Die beiden Stichproben unterschieden sich mit 782 ppm (Nordkreuzgang) und 905 ppm (Friedhof) nur geringfügig. Die unterschiedlichen Erhaltungsbedingungen konnten also nicht für die klaren Gruppierungen aufgrund der Sr-Konzentrationen verantwortlich gemacht werden.
Räumliche Verteilung von Sr-Konzentrationsgruppen:
Eine Kartierung von Sr-Konzentrationsgruppen erwachsener und subadulter Individuen brachte ein weiteres auffälliges Verteilungsmuster zum Vorschein. Besonders klar trat das Muster bei den Subadulten hervor. In den beiden Flügeln des Nordkreuganges kamen fast nur Bestattungen mit Konzentrationen unterhalb 600 ppm vor. Im Gegensatz dazu waren im Gang {28} alle fünf Kategorien vertreten. Die am weitesten nördlich liegenden Bestattungen des Ganges {28} wiesen vor allem Konzentrationen der ersten beiden Kategorien auf. Diese Gräber setzten sich zudem als geschlossene Gruppe vom mittleren Bereich des Ganges {28} ab, dessen Bestattungen fast nur Konzentrationen der höheren drei Kategorien zeigten. Die Bestattungen des südlichen Bereichs, welche wiederum Indidividuen mit tieferen Konzentrationen zeigten, bildeten den Abschluss dieser auffälligen Gruppierung. Eine ähnliche, wenn auch nicht so klar ausgeprägte räumliche Sr-Konzentrationsgruppierung zeigte sich bei den Bestattungen des Friedhofs. Die auffälligen Verteilungsmuster der Sr-Konzentrationen im Gang {28} und im Friedhof mussten mit grosser Wahrscheinlichkeit in Zusammenhang mit einer Einflussnahme des Liegemilieus gesetzt werden. Unklar ist deren Kausalität. Bauliche- oder archäologische Strukturen kamen als Ursache nicht in Betracht, da die Archäologen keine auffälligen Konzentration von z.B. von Mörtel- oder Brandhorizonten feststellen konnten. Als Ursache muss wohl ein sedimentologischer Einfluss in Betracht gezogen werden. Da nur eine geringe Anzahl von Bodenproben erstellt wurde, konnte keine Auswertung dieser komplexen Problematik in Angriff genommen werden.
Schlussfolgerung
Die Spurenelementanalyse weist gravierende methodologische Lücken auf: intra-ossäre, intra-individuelle, inter-individuelle Variabilität, Dekompensationseinfluss des Liegemilieus, Inkorporation der Spurenelemente usw. Solange diese Wissenslücken nicht geschlossen werden können, sollte von Anwendungen im Gebiet der Spurenelementanalyse abgesehen werden.
In den Klostergebäuden, den Innenhöfen und im Friedhof liessen sich in ihrer Bedeutung und Entwicklung unterschiedliche Bestattungslokalitäten erfassen. Die unterschiedliche soziokulturelle und diachrone Zuordnung der 16 Bestattungsorte prädestinierten diese Skelettserie zu sozialspezifischen Fragestellungen. Im Vordergrund stand vor allem ein allfälliger gesundheitsspezifischer Unterschied zwischen den Innen- und Aussenbestattungen. Erste Analysen seitens der Paläopathologie und der Paläoepidemiologie ergaben vielsprechende Resultate. Um die vermuteten sozialspezifischen Unterschiede qualitativ und quantitativ zu erfassen, wurden Spurenelementuntersuchungen (Energiedispersive-Röntgenfluoreszenz) als Analysemethode gewählt. Diese Methode lässt aufgrund z.B. des Elementes Strontium, welches sich bei einer getreidereichen (resp. mineralreichen) Ernährung im Knochen anreichert, zu ernährungsrelevanten Fragestellungen heranziehen. Systemimmante Kritiken von Burton und Wright (1995) wurden berücksichtigt.
Für die Spurenelementanalytik musste die spezielle Lebensumwelt einer subalpinen Bevölkerung und die daraus resultierende Ernährung berücksichtigt werden. Neben dem Getreideanbau, spielte die Viehzucht und die damit verbundene Milchverarbeitung eine wichtige Rolle.
Von entscheidender Bedeutung für die Spurenelementanalyse war die Frage, ob die untersuchte Bevölkerung selbstversorgend war, denn durch Getreideimporte wären die Ernährungsdaten verfälscht worden. Da in Müstair für den Ackerbau nur eine begrenzte Fläche zur Verfügung stand, waren Recherchen betreffs Getreideertragszahlen eminent. Die Frage der Selbstversorgung wurde aufgrund von Ertragszahlen und Statistiken von Müstair des 18. und des 19. Jh.‘s positiv beantwortet.
In einem zweiten Schritt wurde in Erfahrung gebracht, inwiefern sich der soziale Status einer Bevölkerungsgruppe auf ihre Essgewohnheiten ausgewirkt haben könnte und inwieweit sich ein solcher Unterschied letztendlich im Spurenelementgehalt der Skelette manifestiert hätte. Zu diesem Zweck wurde die Literatur nach Beschreibungen möglichst authentischer und sozialtypischer Speisepläne aus dem subalpinen Raum durchgegangen. Methodologisch weist die Verwendung solcher Speisepläne Schwachstellen auf, da die in der Literatur zitierten Essgewohnheiten meistens beschreibender und selten quantitativer Natur waren. Es konnten drei sozialspezifische Pläne eruiert werden. Aufgrund der Speisepläne konnte die tägliche Kalzium- und Strontiumaufnahme sowie die daraus folgenden Sr-Gehalte, resp. die Sr/Ca-Quotienten im Knochen abgeschätzt werden. Einschränkend musste erwähnt sein, dass keine lokalen Strontium- und Kalziumdaten von Nahrungsmittel der Münstertaler Umgebung verwendeten wurden. Die erfassten Resultate konnten insofern nur als hypothetisch anerkannt werden. Die berechneten „sozialtypischen“ Strontiumwerte lagen in einem Bereich zwischen 100 und 600 ppm. Eine sozialspezifische Unterscheidung der zu erwartenden Strontiumkonzentrationen im Knochen aufgrund der recherchierten Ernährungsgewohnheiten hätte rein theoretisch kein Problem darstellen sollen.
Resultate der Spurenelementanalyse
Von total 861 Proben wurden 389 Individualproben zur Rekonstruktion der Ernährungsgewohnheiten herangezogen. Markant fiel die klare Trennung zwischen den Bestattungsgruppen des Süd- und des Ostflügels des Nordkreuzganges und den Bestattungsgruppen aus dem Gang {28} und dem Friedhof auf. Erstere wiesen durchschnittliche Sr-Werte von ca. 240 ppm und ca. 280 ppm auf. Hingegen zeigten Letztere Sr-Gehalt von ca. 450 ppm und ca. 500 ppm. Die klare Trennung der Gruppen des Süd-, sowie des Ostflügels und des Friedhofs entsprach dem zu erwartenden sozialspezifischen Muster. Innenbestattungen werden im allgemeinen mit sozial privilegierten Schichten in Zusammenhang gebracht, welche üblicherweise einen leichteren Zugang zu tierischen Nahrungmitteln gehabt hatten und daher tiefere Sr-Konzentrationen hätten aufweisen sollen. Die beachtlichen Sr-Differenzen zwischen den Bestattungsgruppen wurden durch die Resultate der eruierten historischen Speisepläne bestätigt. Weshalb die Innenbestattungen des Ganges {28} erhöhte Sr-Werte aufwiesen, musste vorerst dahingestellt bleiben.
Alle Einflüsse, die eine Einwirkung auf die Sr-Konzentrationen der Knochen haben könnten, mussten kritisch geprüft werden:
-ernährungsbedingte Unterschiede
-intra-ossäre, intra-individuelle, resp. inter-individuelle Variabilität
-unterschiedliche Liegebedingungen (Innen- und Aussenbestattungen)
-Bestattungstiefe
-zeitliche Kummulation von Strontium
-unterschiedliche Verteilung der Sr-Konzentrationen im Boden mit einer entsprechenden Kontamination des Knochens
Intra-ossäre und intra-individuelle Variabilität:
Aufgrund unterschiedlicher anthropologischer Bearbeiter der Müstairer Skelettserie wurden in den frühen Grabungsetappen vor allem vom anterioren Femurschaft Proben entnommen, was hauptsächlich die Bestattungen des Nordkreuzganges betraf. In den folgenden Etappen wurde hingegen vorwiegend der posteriore Femur beprobt. Hier waren vor allem die Individuen des Ganges {28} und die des Friedhofs betroffen. Die beiden anatomisch unterschiedlichen Probeentnahmeregionen und die durchschnittlichen Sr-Konzentrationen korrelierten miteinander. Möglicherweise widerspiegelte sich in den Sr-Werten nur die unterschiedlichen Probeentnahmeregionen, d.h., die intra-ossäre Variabilität des Knochens müsste als Ursache in Betracht gezogen werden. Die intra-ossäre, resp. intra-individiduelle Variabilität der Sr-Konzentrationen im Knochen stellt eine allgemeine Problematik dar. Die Fragestellung zum quantitativen Einfluss der intra-ossären Variabilität wurde bisher in der Forschung nicht oder ungenügend berücksichtigt. Vergleichbare Resultate lagen daher nur in geringem Umfang vor. Um den Einfluss der Probeentnahmeregion abschätzen zu können, wurden zusätzliche 217 Proben erstellt, wobei allein 46 Proben auf einen in seiner Längs- und Querrichtung zersägten Femur entfielen. In besagtem Femur konnte eine beidseitig zur Schaftmitte abnehmende Sr-Konzentrationstendenz festgestellt werden. Zudem war die intra-ossäre Variabilität an den Epiphysen wesentlich höher, als im Bereich der Schaftmitte. Der anteriore Schaft wies die geringere Variabilität auf, als der posteriore Schaft. Interessanterweise veränderte sich die Sr-Konzentration entlang der Längsächse geringfügiger als von anterior nach posterior. Die Variationskoeffizienten lagen entlang der Längsachse bei 5-6%, hingegen für die Longitudinalachse bei 11%.
Die Problematik der Seitigkeit wurde aufgrund zweier voneinander abhängiger Stichproben des linken und des rechten Femurs abgeklärt. Der bilaterale Varationskoeffizient lag bei 19.1%. Es konnte kein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Stichproben nachgewiesen werden. Die Probeentnahmeregion, ob vom linken oder vom rechten Femur spielte also keine Rolle. Ebenso war es unwesentlich, ob die Probenentnahme vom anterioren oder vom posterioren Schaft geschah.
Bestattungstiefe und zeitliche Kummulation von Strontium:
Bei den Bestattungen des Friedofbereichs liess sich eine geringe Korrelation zwischen der Bestattungstiefe und der Sr-Konzentration nachweisen, denn die Sr-Werte steigen mit zunehmender Grabtiefe geringfügig an. Karolingische Bestattungen zeigten leicht höhere Sr-Konzentrationen als die spätmittelalterlichen oder neuzeitlichen Individuen des Friedhofs.
Unterschiedliche Liegebedingungen (Innen- und Aussenbestattungen):
Bei den Bestattungen des Süd-, resp. Ostflügels und des Ganges {28} handelte es sich um Innenbestattungen. Die Räumlichkeiten der drei Gruppen stiessen T-förmig aufeinander. D.h., es dürften bei allen drei Gruppen ähnliche, vorwiegend trockene Liegebedingungen geherrscht haben. Für die Bestattungen des Ganges {28} musste einschränkend erwähnt werden, dass diese möglicherweise während einer bestimmten Zeitspanne ohne Überdachung der Witterung preisgegeben waren. Sollte dies der Fall gewesen sein, so könnte dies durchaus Einfluss auf den Erhaltungszustand des Knochens gehabt haben. Für die Bestattungen des Friedhofes herrschten Liegebedingungen des Aussenmilieus. Eindeutig war die klare Trennung der Bestattungsgruppen bezüglich der Sr-Konzentrationen, die mit der Raumeinteilung übereinstimmte.
Der Einfluss der Erhaltungsbedingungen von Innen- und Aussenbestattungen wurde aufgrund einer kleinen Stichprobe von Rinderknochen aus dem Nordkreuzgang und aus dem Friedhof getestet. Die beiden Stichproben unterschieden sich mit 782 ppm (Nordkreuzgang) und 905 ppm (Friedhof) nur geringfügig. Die unterschiedlichen Erhaltungsbedingungen konnten also nicht für die klaren Gruppierungen aufgrund der Sr-Konzentrationen verantwortlich gemacht werden.
Räumliche Verteilung von Sr-Konzentrationsgruppen:
Eine Kartierung von Sr-Konzentrationsgruppen erwachsener und subadulter Individuen brachte ein weiteres auffälliges Verteilungsmuster zum Vorschein. Besonders klar trat das Muster bei den Subadulten hervor. In den beiden Flügeln des Nordkreuganges kamen fast nur Bestattungen mit Konzentrationen unterhalb 600 ppm vor. Im Gegensatz dazu waren im Gang {28} alle fünf Kategorien vertreten. Die am weitesten nördlich liegenden Bestattungen des Ganges {28} wiesen vor allem Konzentrationen der ersten beiden Kategorien auf. Diese Gräber setzten sich zudem als geschlossene Gruppe vom mittleren Bereich des Ganges {28} ab, dessen Bestattungen fast nur Konzentrationen der höheren drei Kategorien zeigten. Die Bestattungen des südlichen Bereichs, welche wiederum Indidividuen mit tieferen Konzentrationen zeigten, bildeten den Abschluss dieser auffälligen Gruppierung. Eine ähnliche, wenn auch nicht so klar ausgeprägte räumliche Sr-Konzentrationsgruppierung zeigte sich bei den Bestattungen des Friedhofs. Die auffälligen Verteilungsmuster der Sr-Konzentrationen im Gang {28} und im Friedhof mussten mit grosser Wahrscheinlichkeit in Zusammenhang mit einer Einflussnahme des Liegemilieus gesetzt werden. Unklar ist deren Kausalität. Bauliche- oder archäologische Strukturen kamen als Ursache nicht in Betracht, da die Archäologen keine auffälligen Konzentration von z.B. von Mörtel- oder Brandhorizonten feststellen konnten. Als Ursache muss wohl ein sedimentologischer Einfluss in Betracht gezogen werden. Da nur eine geringe Anzahl von Bodenproben erstellt wurde, konnte keine Auswertung dieser komplexen Problematik in Angriff genommen werden.
Schlussfolgerung
Die Spurenelementanalyse weist gravierende methodologische Lücken auf: intra-ossäre, intra-individuelle, inter-individuelle Variabilität, Dekompensationseinfluss des Liegemilieus, Inkorporation der Spurenelemente usw. Solange diese Wissenslücken nicht geschlossen werden können, sollte von Anwendungen im Gebiet der Spurenelementanalyse abgesehen werden.
Advisors: | Le Tensorer, Jean-Marie |
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Committee Members: | Wittmer-Backofen, Ursula |
Faculties and Departments: | 05 Faculty of Science > Departement Umweltwissenschaften > Ehemalige Einheiten Umweltwissenschaften > Urgeschichte (Le Tensorer) |
UniBasel Contributors: | Hotz, Gerhard and Le Tensorer, Jean-Marie |
Item Type: | Thesis |
Thesis Subtype: | Doctoral Thesis |
Thesis no: | 6973 |
Thesis status: | Complete |
Number of Pages: | 222 |
Language: | German |
Identification Number: |
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edoc DOI: | |
Last Modified: | 02 Aug 2021 15:04 |
Deposited On: | 13 Feb 2009 15:00 |
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