Schindler Helmy, Bettina. Erklärungsmodelle zur Entstehung der Flugphobie. 2016, Doctoral Thesis, University of Basel, Faculty of Psychology.
|
PDF
907Kb |
Official URL: http://edoc.unibas.ch/diss/DissB_12035
Downloads: Statistics Overview
Abstract
Erklärungsmodelle zur Entstehung der Flugphobie
Zusammenfassung
Flugangst und Flugphobie sind weit verbreitet und können zu erheblichen Einschränkungen im Alltag führen. Eine Flugphobie wird in der Regel als „spezifische Phobie“ diagnostiziert und ist gekennzeichnet durch die ausgeprägte Angst vor einer spezifischen Situation (Fliegen), aktive Vermeidung und Leiden in klinisch bedeutsamer Weise. Der Fokus der vorliegenden Arbeit liegt auf verschiedenen Erklärungsmodellen zur Entstehung der Flugphobie. Sie besteht aus den folgenden drei Artikeln und einer Zusammenfassung der Ergebnisse.
Im ersten Artikel mit dem Titel: „Flugangst und Flugphobie: Stand der Forschung“ wird eine Übersicht über den aktuellen Stand der Forschung zur Flugangst und Flugphobie zu folgenden Themen gegeben: Diagnostik und Klassifikation, Prävalenz, Ätiologie, Therapie, Selbsthilfeliteratur und Psychopharmakologische Behandlung.
Im zweiten Artikel mit dem Titel „Ways of acquiring flying phobia“ wird eine empirische Studie zur Lerngeschichte der Flugphobie dargestellt. Ziel war es, herauszufinden, welche der folgenden Lernprozesse bei der Entstehung der Flugphobie eine Rolle spielen: Klassische Konditionierung, Lernen am Modell, Lernen durch Information. Auch der Einfluss von erhöhtem Stress aufgrund kritischer Lebensereignisse wurde untersucht. Bei der Stichprobe handelte es sich um 30 Patienten mit der Diagnose „Flugphobie“ nach DSM-IV-Kriterien und eine Kontrollgruppe, die in Bezug auf Alter, Geschlecht und Bildung parallelisiert wurde. Alle Untersuchungsteilnehmer wurden mit einem strukturierten Interviewleitfaden zur Diagnose und zur Flugangstgeschichte befragt. Es ergaben sich folgende Ergebnisse: 50 % der Patienten mit Flugphobie und 53% der Kontrollgruppe erlebten angstauslösende Erfahrungen im Flugzeug (z.B. starke Turbulenzen), die der Kategorie „Klassische Konditionierung“ zugeordnet werden können (kein signifikanter Unterschied). Auch in Bezug auf Lernen am Modell ergab sich kein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Stichproben, während sich Lernen durch Information (verschiedene Medien wie TV, Zeitung, Internet) bei der klinischen Stichprobe (70%) signifikant häufiger zeigte als bei der Kontrollgruppe (37%). Der Einfluss von erhöhtem Stress während der negativen Flugerfahrung erwies sich für die klinische Stichprobe (60%) als signifikant häufiger als für die Kontrollgruppe (19%). Die Ergebnisse können folgendermassen interpretiert werden: Angstauslösende Erfahrungen während des Fliegens sind häufig, aber nicht jeder Betroffene entwickelt danach eine Flugphobie. Erhöhter Stress im Leben und andere Faktoren können die Konditionierbarkeit erhöhen. Medienberichte über Flugzeugunfälle verstärken vermutlich die Flugphobie im Sinne eines Teufelskreises.
Im dritten Artikel mit dem Titel: „Associative learning in flying phobia“ wird über eine experimentelle Studie zum assoziativen Lernen bei Flugphobie berichtet. Ziel war es zu untersuchen, ob durch das Experiment eine Veränderung der Wahrnehmung von neutralen Reizen zu positiver vs. negativer Valenz oder zu furchterregend vs. nicht-furchterregend erreicht werden konnte. Zusätzlich sollte untersucht werden, ob die klinische Stichprobe mit Flugphobie leichter „konditionierbar“ ist als die Kontrollgruppe. Bei der Stichprobe handelte es sich um die gleiche Stichprobe wie in Artikel 2. Die Untersuchungsteilnehmer absolvierten eine sogenannte „Überwachungsaufgabe“, bei der sie verschiedene Paare von Bildern und Worten wahrnahmen. Neutrale Bilder wurden gekoppelt mit Bildern und Worten, die eine neutrale, negative oder positive Bedeutung hatten. Nach dieser Konditionierungsaufgabe wurde von den Probanden in drei Fragebögen die affektive Reaktion auf die ursprünglich neutralen Bilder eingeschätzt. Es ergab sich für alle Probanden ein signifikanter Haupteffekt für Konditionierung, d.h. durch das Experiment wurde die veränderte Wahrnehmung von Reizen gemäss der Hypothese erreicht. Die klinische Stichprobe erwies sich zusätzlich als leichter „konditionierbar“ als die Kontrollgruppe. Die Ergebnisse der experimentellen Untersuchung können folgendermassen interpretiert werden: Auch milde angstauslösende Stimuli wie sie im Experiment eingesetzt wurden und im Alltag häufig vorkommen, können zu einer unbewussten negativen Konditionierung führen. Patienten mit Flugphobie zeigten eine erhöhte Konditionierbarkeit, d.h. es kann angenommen werden, dass sie möglicherweise negative Reaktionen schneller lernen als eine gesunde Kontrollgruppe.
Zusammenfassend werden die Ergebnisse des Übersichtsartikels und der beiden empirischen Studien in ein Erklärungsmodell zur Entstehung der Flugphobie integriert. Das Zusammenwirken der verschiedenen Einflussfaktoren wird diskutiert. Um die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit für die Praxis nutzbar zu machen, wurde ein Arbeitsblatt für Therapeuten und ein Arbeitsblatt für Patienten zur Entstehung der Flugangst entwickelt.
Explanatory Models of the Origins of Flying Phobia.
Abstract
Fear of flying and flying phobia are very common in the general population and can lead to serious inconvenience in daily life. Flying phobia is usually diagnosed as “specific phobia” with marked fear about a specific situation (flying). The specific situation is actively avoided and causes clinically significant impairment in social, occupational, or other important areas of functioning. This thesis focuses on different explanatory models of the origins of flying phobia. It comprises the following three articles and a general conclusion of the results.
The first article, entitled “Fear of Flying and Flying Phobia: Current State of Research,” gives an overview of the current state of research on fear of flying and flying phobia, covering the following subjects: diagnosis and classification, prevalence, etiology, therapy, self-help manuals, and psychopharmacological treatment.
The second article, entitled “Ways of Acquiring Flying Phobia,” describes an empirical study about the learning history in flying phobia. We investigated if classical conditioning, vicarious (model) learning, and informational learning play a role in acquiring flying phobia. We also analyzed the influence of stressful life events at the time of phobia onset . The sample consisted of 30 patients with a diagnosis of flying phobia according to DSM-IV diagnostic criteria and 30 healthy controls matched on age, sex, and education. All participants were interviewed with a structured diagnostic interview and a fear of flying history interview. We found that 50% of patients with flying phobia and 53% of healthy controls reported frightening events in the air (e.g., severe turbulence). There was no significant difference between the two samples. Thus, there were not more classical conditioning events for patients with flying phobia. There also was no significant difference between the two samples for vicarious (model) learning. The influence of informational learning through media (TV, journals, and the Internet) was significantly higher for the clinical sample (70%) than for the control group (37%). Patients with flying phobia experienced significantly more stressful life events in the period of their frightening flight experience (60%) than healthy controls (19%). These results suggest that frightening experiences while flying are quite common, but not everybody develops a flying phobia. Stressful life events and other factors might enhance conditionability. Informational learning through negative media reports probably reinforces the development of flying phobia in a kind of vicious circle.
The third article, entitled “Associative Learning in Flying Phobia,” describes an experimental study in which we investigated if we could change participants’ perceptions of neutral stimuli to positive or negative valence or to frightening or not frightening. Additionally we investigated if a clinical sample with flying phobia showed a higher conditionability than healthy controls. The sample was the same as in Article 2. Under the guise of an attention task, participants saw different pairings of pictures and words. Neutral pictures were paired with pictures and words with a neutral, negative, or positive meaning. After this conditioning task participants had to evaluate their affective reactions to the pictures in three questionnaires. There was a significant main effect for all participants of the conditioning procedure; that is, a change in the perception of the neutral stimuli was achieved, as we had hypothesized. Additionally the clinical sample showed an enhanced conditionability compared to the control group. On the basis of the results of the experimental study we concluded that mild aversive stimuli such as those used in the experiment and common in daily life could lead to unconscious negative conditioning. Patients with flying phobia showed an enhanced conditionability, and it may be that they learned negative reactions more easily than the healthy controls.
In a conclusion, I integrate the results of the overview article and the two empirical studies in an explanatory model of the origins of flying phobia. I discuss the interaction of the possible contributing factors. For application in clinical practice, I used the results to develop a worksheet for therapists and a worksheet for patients about the origins of fear of flying.
Zusammenfassung
Flugangst und Flugphobie sind weit verbreitet und können zu erheblichen Einschränkungen im Alltag führen. Eine Flugphobie wird in der Regel als „spezifische Phobie“ diagnostiziert und ist gekennzeichnet durch die ausgeprägte Angst vor einer spezifischen Situation (Fliegen), aktive Vermeidung und Leiden in klinisch bedeutsamer Weise. Der Fokus der vorliegenden Arbeit liegt auf verschiedenen Erklärungsmodellen zur Entstehung der Flugphobie. Sie besteht aus den folgenden drei Artikeln und einer Zusammenfassung der Ergebnisse.
Im ersten Artikel mit dem Titel: „Flugangst und Flugphobie: Stand der Forschung“ wird eine Übersicht über den aktuellen Stand der Forschung zur Flugangst und Flugphobie zu folgenden Themen gegeben: Diagnostik und Klassifikation, Prävalenz, Ätiologie, Therapie, Selbsthilfeliteratur und Psychopharmakologische Behandlung.
Im zweiten Artikel mit dem Titel „Ways of acquiring flying phobia“ wird eine empirische Studie zur Lerngeschichte der Flugphobie dargestellt. Ziel war es, herauszufinden, welche der folgenden Lernprozesse bei der Entstehung der Flugphobie eine Rolle spielen: Klassische Konditionierung, Lernen am Modell, Lernen durch Information. Auch der Einfluss von erhöhtem Stress aufgrund kritischer Lebensereignisse wurde untersucht. Bei der Stichprobe handelte es sich um 30 Patienten mit der Diagnose „Flugphobie“ nach DSM-IV-Kriterien und eine Kontrollgruppe, die in Bezug auf Alter, Geschlecht und Bildung parallelisiert wurde. Alle Untersuchungsteilnehmer wurden mit einem strukturierten Interviewleitfaden zur Diagnose und zur Flugangstgeschichte befragt. Es ergaben sich folgende Ergebnisse: 50 % der Patienten mit Flugphobie und 53% der Kontrollgruppe erlebten angstauslösende Erfahrungen im Flugzeug (z.B. starke Turbulenzen), die der Kategorie „Klassische Konditionierung“ zugeordnet werden können (kein signifikanter Unterschied). Auch in Bezug auf Lernen am Modell ergab sich kein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Stichproben, während sich Lernen durch Information (verschiedene Medien wie TV, Zeitung, Internet) bei der klinischen Stichprobe (70%) signifikant häufiger zeigte als bei der Kontrollgruppe (37%). Der Einfluss von erhöhtem Stress während der negativen Flugerfahrung erwies sich für die klinische Stichprobe (60%) als signifikant häufiger als für die Kontrollgruppe (19%). Die Ergebnisse können folgendermassen interpretiert werden: Angstauslösende Erfahrungen während des Fliegens sind häufig, aber nicht jeder Betroffene entwickelt danach eine Flugphobie. Erhöhter Stress im Leben und andere Faktoren können die Konditionierbarkeit erhöhen. Medienberichte über Flugzeugunfälle verstärken vermutlich die Flugphobie im Sinne eines Teufelskreises.
Im dritten Artikel mit dem Titel: „Associative learning in flying phobia“ wird über eine experimentelle Studie zum assoziativen Lernen bei Flugphobie berichtet. Ziel war es zu untersuchen, ob durch das Experiment eine Veränderung der Wahrnehmung von neutralen Reizen zu positiver vs. negativer Valenz oder zu furchterregend vs. nicht-furchterregend erreicht werden konnte. Zusätzlich sollte untersucht werden, ob die klinische Stichprobe mit Flugphobie leichter „konditionierbar“ ist als die Kontrollgruppe. Bei der Stichprobe handelte es sich um die gleiche Stichprobe wie in Artikel 2. Die Untersuchungsteilnehmer absolvierten eine sogenannte „Überwachungsaufgabe“, bei der sie verschiedene Paare von Bildern und Worten wahrnahmen. Neutrale Bilder wurden gekoppelt mit Bildern und Worten, die eine neutrale, negative oder positive Bedeutung hatten. Nach dieser Konditionierungsaufgabe wurde von den Probanden in drei Fragebögen die affektive Reaktion auf die ursprünglich neutralen Bilder eingeschätzt. Es ergab sich für alle Probanden ein signifikanter Haupteffekt für Konditionierung, d.h. durch das Experiment wurde die veränderte Wahrnehmung von Reizen gemäss der Hypothese erreicht. Die klinische Stichprobe erwies sich zusätzlich als leichter „konditionierbar“ als die Kontrollgruppe. Die Ergebnisse der experimentellen Untersuchung können folgendermassen interpretiert werden: Auch milde angstauslösende Stimuli wie sie im Experiment eingesetzt wurden und im Alltag häufig vorkommen, können zu einer unbewussten negativen Konditionierung führen. Patienten mit Flugphobie zeigten eine erhöhte Konditionierbarkeit, d.h. es kann angenommen werden, dass sie möglicherweise negative Reaktionen schneller lernen als eine gesunde Kontrollgruppe.
Zusammenfassend werden die Ergebnisse des Übersichtsartikels und der beiden empirischen Studien in ein Erklärungsmodell zur Entstehung der Flugphobie integriert. Das Zusammenwirken der verschiedenen Einflussfaktoren wird diskutiert. Um die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit für die Praxis nutzbar zu machen, wurde ein Arbeitsblatt für Therapeuten und ein Arbeitsblatt für Patienten zur Entstehung der Flugangst entwickelt.
Explanatory Models of the Origins of Flying Phobia.
Abstract
Fear of flying and flying phobia are very common in the general population and can lead to serious inconvenience in daily life. Flying phobia is usually diagnosed as “specific phobia” with marked fear about a specific situation (flying). The specific situation is actively avoided and causes clinically significant impairment in social, occupational, or other important areas of functioning. This thesis focuses on different explanatory models of the origins of flying phobia. It comprises the following three articles and a general conclusion of the results.
The first article, entitled “Fear of Flying and Flying Phobia: Current State of Research,” gives an overview of the current state of research on fear of flying and flying phobia, covering the following subjects: diagnosis and classification, prevalence, etiology, therapy, self-help manuals, and psychopharmacological treatment.
The second article, entitled “Ways of Acquiring Flying Phobia,” describes an empirical study about the learning history in flying phobia. We investigated if classical conditioning, vicarious (model) learning, and informational learning play a role in acquiring flying phobia. We also analyzed the influence of stressful life events at the time of phobia onset . The sample consisted of 30 patients with a diagnosis of flying phobia according to DSM-IV diagnostic criteria and 30 healthy controls matched on age, sex, and education. All participants were interviewed with a structured diagnostic interview and a fear of flying history interview. We found that 50% of patients with flying phobia and 53% of healthy controls reported frightening events in the air (e.g., severe turbulence). There was no significant difference between the two samples. Thus, there were not more classical conditioning events for patients with flying phobia. There also was no significant difference between the two samples for vicarious (model) learning. The influence of informational learning through media (TV, journals, and the Internet) was significantly higher for the clinical sample (70%) than for the control group (37%). Patients with flying phobia experienced significantly more stressful life events in the period of their frightening flight experience (60%) than healthy controls (19%). These results suggest that frightening experiences while flying are quite common, but not everybody develops a flying phobia. Stressful life events and other factors might enhance conditionability. Informational learning through negative media reports probably reinforces the development of flying phobia in a kind of vicious circle.
The third article, entitled “Associative Learning in Flying Phobia,” describes an experimental study in which we investigated if we could change participants’ perceptions of neutral stimuli to positive or negative valence or to frightening or not frightening. Additionally we investigated if a clinical sample with flying phobia showed a higher conditionability than healthy controls. The sample was the same as in Article 2. Under the guise of an attention task, participants saw different pairings of pictures and words. Neutral pictures were paired with pictures and words with a neutral, negative, or positive meaning. After this conditioning task participants had to evaluate their affective reactions to the pictures in three questionnaires. There was a significant main effect for all participants of the conditioning procedure; that is, a change in the perception of the neutral stimuli was achieved, as we had hypothesized. Additionally the clinical sample showed an enhanced conditionability compared to the control group. On the basis of the results of the experimental study we concluded that mild aversive stimuli such as those used in the experiment and common in daily life could lead to unconscious negative conditioning. Patients with flying phobia showed an enhanced conditionability, and it may be that they learned negative reactions more easily than the healthy controls.
In a conclusion, I integrate the results of the overview article and the two empirical studies in an explanatory model of the origins of flying phobia. I discuss the interaction of the possible contributing factors. For application in clinical practice, I used the results to develop a worksheet for therapists and a worksheet for patients about the origins of fear of flying.
Advisors: | Stieglitz, Rolf-Dieter and Meinlschmidt, Gunther |
---|---|
Faculties and Departments: | 07 Faculty of Psychology > Departement Psychologie > Ehemalige Einheiten Psychologie > Klinische Psychologie und Psychiatrie (Stieglitz) |
UniBasel Contributors: | Stieglitz, Rolf Dieter and Meinlschmidt, Gunther |
Item Type: | Thesis |
Thesis Subtype: | Doctoral Thesis |
Thesis no: | 12035 |
Thesis status: | Complete |
Number of Pages: | 1 Online-Ressource |
Language: | German |
Identification Number: |
|
edoc DOI: | |
Last Modified: | 02 Aug 2021 15:14 |
Deposited On: | 27 Feb 2017 13:51 |
Repository Staff Only: item control page