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«Und da sollen wir neutral sein? Nie und nimmer!»: Spanische Bürgerkriegspropaganda in der Schweiz

Benkert, Davina. «Und da sollen wir neutral sein? Nie und nimmer!»: Spanische Bürgerkriegspropaganda in der Schweiz. 2010, Master Thesis, University of Basel, Faculty of Humanities and Social Sciences.

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Official URL: https://edoc.unibas.ch/59937/

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Abstract

Der spanische Bürgerkrieg begann am 17. Juli 1936 mit dem Aufstand von Teilen der spanischen Armee unter der Führung bürgerlich-monarchistischer Generäle. Der Aufstand verfolgte das Ziel, die eben erst gewählte Regierung – eine Koalition von liberal-republikanischen und linken sozialistischen Parteien – zu stürzen und Spanien wieder auf einen streng konservativen Kurs zu bringen. Konservative und liberale Kräfte hatten sich in Spanien seit 1902 immer mehr auseinander bewegt. Gleichzeitig verursachten die schlechte wirtschaftliche Lage des Landes und die herrschende soziale Ungerechtigkeit grosse Unzufriedenheit bei Industrie- und Landarbeitern, die sich vermehrt sozialistischen, kommunistischen oder anarchistischen Bewegungen anschlossen.
Während sich linke und Intellektuelle Kreise der Weltöffentlichkeit sofort mit der belagerten spanischen Republik solidarisierten und Tausende junge Männer und Frauen aus der ganzen Welt nach Spanien strömten um in den Internationalen Brigaden gegen die Truppen General Francisco Francos zu kämpfen, schlugen die europäischen Regierungen einen abwartenden Kurs ein. Frankreich, Italien, Deutschland, Grossbritannien und die UdSSR unterzeichneten ein Nichteinmischungsabkommen, da der Bürgerkrieg eine rein spanische Angelegenheit sei. Speziell Grossbritannien sah durch ein aktives Eingreifen in Spanien seine Appeasement-Politik dem Deutschen Reich gegenüber als gefährdet an. So griffen die demokratischen Staaten auch dann nicht ein, als Italien und das Deutsche Reich den Aufständischen zunehmend Kriegshilfe leisteten in der Form von Truppen, Flugzeugen und anderem Kriegsmaterial.
Die Republik musste im Frühjahr 1939 nach einem blutigen Bürgerkrieg, der das Land auseinandergerissen hatte, ihre Niederlage eingestehen. Gründe dafür sind die Spaltung des republikanischen Lagers, das Vorgehen der spanischen Kommunisten, die ihre Vorstellungen der politischen und ökonomischen Organisation mit allen Mittelns durchzusetzen suchten, und die unzureichende Militärhilfe der Sowjetunion, die weit hinter den Lieferungen seitens Deutschlands und Italiens zurückblieb.
Auch in der Schweiz solidarisierten sich viele Menschen mit der spanischen Republik. In Basel fand zehn Tage nach Ausbruch des Aufstands eine Arbeiterversammlung statt, die die Unterstützung der Republik als «Sache der Weltarbeiterschaft» deklarierte. Es wurde Geld für wohltätige Zwecke in Spanien gesammelt und bereits Anfang August wurde in Basel eine Gruppe Zürcher Kommunisten angehalten, die sich den Internationalen Brigaden anschliessen wollten. Der Bundesrat erliess kurz darauf Beschlüsse, die jegliche Unterstützung der kriegsführenden Parteien in Spanien verbot. Aus Gründen der Neutralität hatte der Bundesrat das Nichteinmischungsabkommen nicht ratifizieren wollen. In der Folge wurden mehrere weitere Beschlüsse erlassen, die die Durchsetzung des Verbots ermöglichen sollten. Die Schweiz war schliesslich 1939 der erste demokratische Staat, der Franco-Spanien anerkannte.
Die bürgerlichen Parteien unterstützten die Handlungen des Bundesrats. Die Sozialdemokraten kritisierten, dass die Verbote die humanitäre Arbeit behinderten, während die Kommunisten die Verbote als heimliche Unterstützung der Aufständischen werteten.
Seit Beginn des Bürgerkrieges führten beide Kriegsparteien einen nationalen wie internationalen Propagandakrieg. Die eigene Seite sollte durch Propaganda gestärkt, der Feind durch Propaganda geschwächt werden. Auf der internationalen Ebene sollte durch Propaganda Unterstützung für die eigene Sache gewonnen werden. Die Republik bemühte sich intensiv darum, die öffentliche Meinung in den Staaten, die das Nichteinmischungsabkommen unterzeichnet hatten, auf ihre Seite zu ziehen. Die Propagandisten hofften, dass der Druck der Öffentlichkeit die Regierungen dazu bewegen würde, die Republik zu unterstützen.
Die Erforschung von Rolle und Form der Propaganda ist in der Schweiz noch weitgehend unberücksichtigt geblieben. Auch scheinen die neueren spanischen Beiträge noch kaum wahrgenommen worden zu sein. Diese Arbeit nimmt sich die Schweiz als Fallbeispiel zur internationalen Wirkungsgeschichte dieser Propaganda zum Untersuchungsobjekt. Für die Untersuchung der Propaganda und ihrer Wirkung und Handhabung wurde die Methode der Stereotypenforschung nach Hans Henning Hahn zugezogen. Dies aus der Überlegung, dass nicht nur die Propaganda selbst mit Stereotypen arbeitet, sondern auch die Rezeption der Propaganda von Stereotypen geleitet wurde.
Wichtige Themen der Bürgerkriegspropaganda waren der «Kreuzzug gegen die Rote Gefahr», den die spanischen Nationalisten anhand von Gräuelgeschichten propagierten und mit dem sie die Bedrohung durch den Kommunismus an die Wand malten; der gezielte Aufbau von Helden, den beide Seiten betrieben, um Anhänger zu mobilisieren (auf nationalistischer Seite stand General Franco im Mittelpunkt, auf republikanischer Dolores Ibárruri, die «Pasionaria»); die Bombardierung von Städten, die die Republikaner vor allem mit Hilfe von Plakaten anprangerten – ein herausragendes Symbol wurde die Zerstörung von Guernica am 26. April 1937.
Die Bundesanwaltschaft beschlagnahmte in der Folge der Bundesratsbeschlüsse grosse Mengen Propagandamaterial. Dessen Herkunft, Adressaten und der Grund für die Beschlagnahme wurden in den Akten festgehalten und bildeten die Grundlage für die Analyse der Stereotypen in der Arbeit. Eingehende Sendungen von Drucksachen erfolgten unverpackt und wurden an der Schweizer Grenze kontrolliert. Stiessen Post oder Zoll auf verdächtiges Material, hielten sie die Sendung zurück und liessen die Drucksachen von der Bundesanwaltschaft begutachten. Der Weg einzelner Drucksachen liess sich anhand der Korrespondenz der Behörden Schritt für Schritt nachzeichnen. So beispielsweise Postkarten mit der Abbildung der «Pasionaria», die beschlagnahmt wurden. Der Protest der Adressatin, der Sozialdemokratin und religiösen Sozialistin Hulda Lauber, nützte nichts. Der «Pasionaria» – dem stereotypen «Symbol des heldenhaften Widerstandes» – wurde 1938 auch die Einreise in die Schweiz verwehrt, weil sie eine kommunistische Agentin sei. Mehr Glück hatte der Basler Kaufmann Arthur Stenger, der glaubhaft geltend machen konnte, dass ihm die republikanischen Hefte nur zum persönlichen Gebrauch übersandt worden waren. Die Bundesanwaltschaft nutzte im Übrigen das Beschlagnahmungsverfahren, um über die Personen, denen Materialien zugestellt werden sollten, Nachforschungen einzuleiten.
Im untersuchten Dossier fanden sich 87 Druckerzeugnisse, die zwischen September 1936 und Mai 1937 geprüft wurden. Die Bundesanwaltschaft gab davon 18 frei (21%) und beschlagnahmte 58 (67%); für 11 Dokumente lag kein Entscheid vor. Bei den Herkunftsorten der Sendungen lag Barcelona, gefolgt von Paris und Valencia, an der Spitze. Die republikanische Seite versandte weitaus mehr Materialien als die nationalistische – sie war stärker auf Unterstützung aus dem Ausland angewiesen. Es fand eine Ungleichbehandlung des Materials statt: Nationalistische Erzeugnisse wurden eher freigegeben als republikanische. Heftige Proteste in der Öffentlichkeit dagegen erzielten aber hin und wieder Wirkung.
Ein Beispiel für einen solchen Protest ist die Protestkartenaktion der «Volks-Illustrierten» – eine Nachfolge-Wochenzeitung der «Arbeiter-Illustrierten Zeitung» – nachdem Anfang 1937 eine Sondernummer zu Spanien beschlagnahmt worden war. Der Erlös aus dem Verkauf dieser Nummer sowie beigefügter Postkarten sollte dem Spanischen Roten Kreuz zugute kommen. Die Bundesanwaltschaft hatte den Verdacht, dass auch der Kampf der Internationalen Brigaden damit unterstützt werden sollte. Als eine Einigung mit der Redaktion schon in Reichweite lag, erhielt die Bundesanwaltschaft die ersten Protestkarten.  Darauf liess sie alle Unterzeichner, sofern eruierbar, überprüfen. Diejenigen Absender, die identifiziert werden konnten, wurden nach ihren Gründen befragt. Vielfach kam dabei zum Ausdruck, dass «Bern» die Freiheit unterdrücke, manchmal ergänzt um den Hinweis, dass die Regierung von deutschen und italienischen Faschisten abhängig sei. In den Polizeirapporten sind deutliche Stereotypen zu Linken, Sozialdemokraten und Kommunisten festzustellen; nur wenige sind erstaunlich differenziert. Über die Befragten wurden Fichen angelegt. Konkrete nachteilige Folgen für die fichierten Personen liessen sich nicht feststellen. An diesem Beispiel wird der grundsätzliche Konflikt sichtbar: Die Behörden empfanden den Staat durch «kommunistische Umtriebe» als gefährdet, während die Angehörigen der KPS und anderer linken Kreise ihre Freiheitsrechte beschnitten sahen.
Dieser Konflikt verschärfte sich im Verlauf des Bürgerkriegs zunehmend. Die Stereotypen, die durch die Untersuchung freigelegt werden konnten, blieben wirksam. Sie gipfelten im Verbot der KPS 1940 und in der allgemeinen Kommunistenangst während des Kalten Krieges. Die Tätigkeiten der Bundesanwaltschaft bilden den Anfang jener umfangreichen Beobachtung scheinbar suspekter Personen, die erst 1989 mit der Fichenaffäre enden sollte. Die Schweizer Spanienfreiwilligen schliesslich, die trotz Verbot des Bundesrates in Spanien für die Republik gekämpft hatten und  nach ihrer Rückkehr Gefängnisstrafen in Kauf nehmen mussten, wurden erst 2009 rehabilitiert.
AbbildungPlakat des republikanischen Propagandaministeriums zu den Madrider Luftangriffen, 1937
Advisors:Haumann, Heiko
Faculties and Departments:04 Faculty of Humanities and Social Sciences > Departement Geschichte > Ehemalige Einheiten Geschichte > Osteuropäische und neuere Geschichte (Haumann)
UniBasel Contributors:Haumann, Heiko
Item Type:Thesis
Thesis Subtype:Master Thesis
Thesis no:UNSPECIFIED
Thesis status:Complete
Last Modified:12 Mar 2018 07:56
Deposited On:06 Feb 2018 11:23

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