Bretscher, Simone. (K)eins aufs Dach? Die Entwicklung der Muslimfeindlichkeit in der Deutsch- und Westschweiz nachgezeichnet anhand der öffentlichen Reaktionen auf die Errichtung repräsentativer muslimischer Bauten. 2009, Master Thesis, University of Basel, Faculty of Humanities and Social Sciences.
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Official URL: https://edoc.unibas.ch/59979/
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Abstract
Der Anteil der Muslime an der Schweizer Bevölkerung ist in den letzten Jahrzehnten stark gewachsen. Machten sie im Jahr 1970 mit 16’353 Personen noch 0.26% der Gesamtbevölkerung aus, so betrug ihr Anteil gemäss der Volkszählung des Jahres 2000 bereits 310’807 oder 4.3% der in der Schweiz lebenden Personen. Damit haben sich die Muslime zur grössten religiösen Minderheit der Schweiz entwickelt. Zugleich verstehen sich viele von ihnen immer mehr als dauerhafter Teil der Schweizer Gesellschaft. Im Zuge dieser Entwicklungen haben auch die religionsspezifischen muslimischen Forderungen an die Residenzgesellschaft zugenommen. Zu nennen sind etwa das Tragen des islamischen Kopftuchs in der Öffentlichkeit, konfessioneller Religionsunterricht für muslimische Kinder an öffentlichen Schulen, die Bestattung nach islamischem Ritus oder die Errichtung repräsentativer Moscheen.
Gewachsen sind aber auch die negativen Gefühle vieler Schweizerinnen und Schweizer gegenüber Muslimen. Die zunehmende Muslimfeindlichkeit in der Schweiz stellt ein äusserst vielschichtiges Phänomen dar und wird von mannigfaltigen – auch internationalen – Faktoren bestimmt. Die fehlende Bereitschaft auf Seiten der christlichen Mehrheitsgesellschaft zur Anerkennung der vergleichsweise neuen Minderheit in ihrer religiösen und kulturellen Diversität manifestiert sich in verschiedener Form: Die Verhandlungen über die meisten muslimischen Anliegen verlaufen äusserst zäh, ziehen grosses mediales Interesse auf sich und werden von leidenschaftlichen Debatten in den unterschiedlichsten Kreisen begleitet. Die Mehrheit der Konflikte konnte erst vor dem Schweizer Bundesgericht oder dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg beigelegt werden. Von einem überparteilichen Komitee, zusammengesetzt aus Vertretern der EDU und der SVP, wurde überdies im Sommer 2008 die eidgenössische Volksinitiative «Gegen den Bau von Minaretten» eingereicht.
Diese Lizentiatsarbeit befasst sich mit der Frage, ob der Anstieg der Muslimfeindlichkeit in der Residenzgesellschaft annähernd mit der gestiegenen Wahrnehmbarkeit der muslimischen Gemeinschaft, abzulesen an der Zunahme ihrer Zahl und ihrer Forderungen, korreliert. Angewendet wird diese Fragestellung auf den Wunsch muslimischer Gemeinschaften nach dem Bau repräsentativer Gebetsstätten. Die qualitative Analyse der öffentlichen Meinung der christlichen Mehrheitsgesellschaft gegenüber diesem Anliegen soll zeigen, ob und wie sich die Muslimfeindlichkeit in der deutschen und französischen Schweiz im Lauf der Zeit verändert hat. Zu diesem Zweck wird anhand von Medienberichten zu sechs konkreten Fällen untersucht, wie sich jeweils verschiedene Kategorien von Öffentlichkeitsakteuren und die Medienredaktionen selber positionierten.
Zur Zeit der Durchführung dieser Studie bestanden in der Schweiz insgesamt drei repräsentative Moscheen mit Minarett, in Zürich (errichtet 1963), Genf (1978) und Winterthur (2005). Dies ermöglicht eine – wenn auch punktuelle – Analyse des relevanten Untersuchungszeitraums. Die Auseinandersetzungen um den geplanten Bau von Minaretten in den Gemeinden Wangen bei Olten (SO; am 9. Januar 2009 errichtet), Langenthal (BE) und Wil (SG) in den Jahren 2005 und 2006 erlauben eine Analyse der jüngsten Entwicklungen.
Es zeigte sich, dass die öffentlichen Reaktionen der Mehrheitsgesellschaft auf die ingesamt sechs errichteten oder geplanten repräsentativen Moscheen in der Schweiz nicht annähernd korrelativ zur steigenden Wahrnehmbarkeit der Muslime zunahmen. Dennoch sind grundlegende Unterschiede in der Qualität der öffentlichen Reaktionen auf die unterschiedlichen Ereignisse auszumachen. Bei den bestehenden Moscheebauten in Zürich, Genf und Winterthur gründete allfälliger Widerstand nicht auf direkter Ablehnung der muslimischen Gemeinschaft. Dies steht in augenfälligem Gegensatz zu den Anfeindungen, denen sich die Muslime in Wangen, Langenthal oder Wil ausgesetzt sahen beziehungsweise noch immer sehen. Zudem wurde der Widerstand bei den späteren Moscheeprojekten nicht wie zuvor nur von wenigen Akteuren, sondern von einem ungleich grösseren Teil der Öffentlichkeit geleistet. Als letzte Auffälligkeit schliesslich ist zu nennen, dass die überwiegende Mehrheit der öffentlichen Akteure, die sich in den jüngsten drei Konfliktfällen gegen die muslimischen Bauten engagierten, den Reihen der Schweizerischen Volkspartei SVP entstammten.
Zwar vermag diese Lizentiatsarbeit die Frage, ob ein Zusammenhang zwischen der stärkeren Wahrnehmbarkeit der Muslime und der gestiegenen Muslimfeindlichkeit in der Schweiz besteht, nicht abschliessend zu beantworten. Gezeigt werden kann aber, dass die Bekanntmachung der Baupläne für ein Minarett in Wangen bei Olten einer Initialzündung gleichkam: Erst mit diesem Ereignis begann sich der Widerstand gegen geplante repräsentative Moscheen als offene Muslimfeindlichkeit zu manifestieren. Ebenfalls offensichtlich wird, dass Vertreter der SVP diese Muslimfeindlichkeit massgeblich vertraten und beförderten.
Gewachsen sind aber auch die negativen Gefühle vieler Schweizerinnen und Schweizer gegenüber Muslimen. Die zunehmende Muslimfeindlichkeit in der Schweiz stellt ein äusserst vielschichtiges Phänomen dar und wird von mannigfaltigen – auch internationalen – Faktoren bestimmt. Die fehlende Bereitschaft auf Seiten der christlichen Mehrheitsgesellschaft zur Anerkennung der vergleichsweise neuen Minderheit in ihrer religiösen und kulturellen Diversität manifestiert sich in verschiedener Form: Die Verhandlungen über die meisten muslimischen Anliegen verlaufen äusserst zäh, ziehen grosses mediales Interesse auf sich und werden von leidenschaftlichen Debatten in den unterschiedlichsten Kreisen begleitet. Die Mehrheit der Konflikte konnte erst vor dem Schweizer Bundesgericht oder dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg beigelegt werden. Von einem überparteilichen Komitee, zusammengesetzt aus Vertretern der EDU und der SVP, wurde überdies im Sommer 2008 die eidgenössische Volksinitiative «Gegen den Bau von Minaretten» eingereicht.
Diese Lizentiatsarbeit befasst sich mit der Frage, ob der Anstieg der Muslimfeindlichkeit in der Residenzgesellschaft annähernd mit der gestiegenen Wahrnehmbarkeit der muslimischen Gemeinschaft, abzulesen an der Zunahme ihrer Zahl und ihrer Forderungen, korreliert. Angewendet wird diese Fragestellung auf den Wunsch muslimischer Gemeinschaften nach dem Bau repräsentativer Gebetsstätten. Die qualitative Analyse der öffentlichen Meinung der christlichen Mehrheitsgesellschaft gegenüber diesem Anliegen soll zeigen, ob und wie sich die Muslimfeindlichkeit in der deutschen und französischen Schweiz im Lauf der Zeit verändert hat. Zu diesem Zweck wird anhand von Medienberichten zu sechs konkreten Fällen untersucht, wie sich jeweils verschiedene Kategorien von Öffentlichkeitsakteuren und die Medienredaktionen selber positionierten.
Zur Zeit der Durchführung dieser Studie bestanden in der Schweiz insgesamt drei repräsentative Moscheen mit Minarett, in Zürich (errichtet 1963), Genf (1978) und Winterthur (2005). Dies ermöglicht eine – wenn auch punktuelle – Analyse des relevanten Untersuchungszeitraums. Die Auseinandersetzungen um den geplanten Bau von Minaretten in den Gemeinden Wangen bei Olten (SO; am 9. Januar 2009 errichtet), Langenthal (BE) und Wil (SG) in den Jahren 2005 und 2006 erlauben eine Analyse der jüngsten Entwicklungen.
Es zeigte sich, dass die öffentlichen Reaktionen der Mehrheitsgesellschaft auf die ingesamt sechs errichteten oder geplanten repräsentativen Moscheen in der Schweiz nicht annähernd korrelativ zur steigenden Wahrnehmbarkeit der Muslime zunahmen. Dennoch sind grundlegende Unterschiede in der Qualität der öffentlichen Reaktionen auf die unterschiedlichen Ereignisse auszumachen. Bei den bestehenden Moscheebauten in Zürich, Genf und Winterthur gründete allfälliger Widerstand nicht auf direkter Ablehnung der muslimischen Gemeinschaft. Dies steht in augenfälligem Gegensatz zu den Anfeindungen, denen sich die Muslime in Wangen, Langenthal oder Wil ausgesetzt sahen beziehungsweise noch immer sehen. Zudem wurde der Widerstand bei den späteren Moscheeprojekten nicht wie zuvor nur von wenigen Akteuren, sondern von einem ungleich grösseren Teil der Öffentlichkeit geleistet. Als letzte Auffälligkeit schliesslich ist zu nennen, dass die überwiegende Mehrheit der öffentlichen Akteure, die sich in den jüngsten drei Konfliktfällen gegen die muslimischen Bauten engagierten, den Reihen der Schweizerischen Volkspartei SVP entstammten.
Zwar vermag diese Lizentiatsarbeit die Frage, ob ein Zusammenhang zwischen der stärkeren Wahrnehmbarkeit der Muslime und der gestiegenen Muslimfeindlichkeit in der Schweiz besteht, nicht abschliessend zu beantworten. Gezeigt werden kann aber, dass die Bekanntmachung der Baupläne für ein Minarett in Wangen bei Olten einer Initialzündung gleichkam: Erst mit diesem Ereignis begann sich der Widerstand gegen geplante repräsentative Moscheen als offene Muslimfeindlichkeit zu manifestieren. Ebenfalls offensichtlich wird, dass Vertreter der SVP diese Muslimfeindlichkeit massgeblich vertraten und beförderten.
Advisors: | Kreis, Georg |
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Faculties and Departments: | 04 Faculty of Humanities and Social Sciences > Departement Geschichte > Ehemalige Einheiten Geschichte > Neuere allgemeine Geschichte (Kreis) |
UniBasel Contributors: | Kreis, Georg |
Item Type: | Thesis |
Thesis Subtype: | Master Thesis |
Thesis no: | UNSPECIFIED |
Thesis status: | Complete |
Last Modified: | 12 Mar 2018 07:56 |
Deposited On: | 06 Feb 2018 11:23 |
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