Polexe, Laura. Netzwerke und Freundschaft. Sozialdemokraten in Rumänien, Russland und der Schweiz an der Schwelle zum 20. Jahrhundert. 2010, Doctoral Thesis, University of Basel, Faculty of Humanities and Social Sciences.
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Official URL: https://edoc.unibas.ch/60472/
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Abstract
Forschung und Fragestellung
Die sozialdemokratischen Bewegungen Europas waren oft Gegenstand historischer Untersuchungen. Die Forschungsliteratur hat sich aber überwiegend mit der Geschichte der Parteien oder einzelner Personen befasst. Diese Dissertation fragte hingegen nach dem Stellenwert persönlicher Nahbeziehungen in einer international operierenden und von Verfolgung bedrohten revolutionären Organisation. Dabei wurde davon ausgegangen, dass es eine typisch sozialistische Freundschaft mit eigenen Ritualen gibt. Im Mittelpunkt der Untersuchung standen Sozialdemokraten, die in Rumänien, Russland und in der Schweiz gewirkt haben (1880-1917).
In einer Zeit, in der Sozialdemokraten und Revolutionäre in Rumänien und Russland verfolgt waren, kam den Netzwerken und den Verbindungen zum westlichen Europa, insbesondere zur Schweiz, eine äußerst wichtige Bedeutung zu. Den zeitlichen Schwerpunkt meiner Arbeit bilden die Jahre von 1883, als in Genf die «Gruppe zur Befreiung der Arbeit» entstand, und 1915, als die internationale sozialistische Konferenz zu Zimmerwald in der Schweiz stattfand. In dieser Zeit formierten sich nicht nur die einzelnen sozialdemokratischen Parteien, sondern auch deren Friedensbewegung - unter dem Eindruck der Balkankriege 1912/1913, sowie die sogenannte «Zimmerwalder Bewegung» oder «Zimmerwalder Linke», die einen entscheidenden Einfluss auf die Friedensbewegung im Vorfeld und während des Ersten Weltkriegs ausübte. Darüber habe ich auch die Jahre davor und danach betrachtet, um mehr über die Entstehung und den Zerfall der sozialdemokratischen Netzwerke zu erfahren und insbesondere die Wichtigkeit von Freundschaft und persönlichen Beziehungen im Aufbau dieser Netzwerke herauszuarbeiten.
Aufgabe meines Dissertationsprojekts war es, die Beziehungen rumänischer, russischer und schweizerischer Sozialdemokraten aus dem Blickwinkel der Freundschaft, mit besonderer Berücksichtigung der Netzwerke, in denen sie agierten, zu beschreiben und zu analysieren. Die Kategorie «Netzwerk» diente dabei dazu, Strukturen persönlicher Beziehungen und deren Wirkungen für (politisches) Handeln herauszuarbeiten, die in traditionellen Arbeiten nicht ausreichend gewürdigt wurden. Welche Art von Beziehungen lag diesem Netzwerk zugrunde? Welche Rolle spielte die Freundschaft? Welches Verständnis von Freundschaft (persönliche, politische) hatten die Akteure? Auch die Frage nach den Praktiken innerhalb dieser Beziehungen, nach dem Selbstverständnis dieser, nach Sinnbildung und Kommunikationssymbolen sowie nach Wandlungen durch Interaktion wurde anhand verschiedener Beispiele beantwortet. Die Untersuchung von Kommunikationsprozessen der Sozialdemokraten untereinander, von Wechselwirkungen mit der Umgebung, den materiellen Bedingungen, den politisch-gesellschaftlichen Verhältnissen und den vorherrschenden Ideologien, rekonstruierte deren Lebenswelten aus der Akteurperspektive. Durch die Analyse der kommunikativen Handlungen und Diskurse der Akteure über nationale Grenzen hinweg konnten soziale Strukturen sowie politische Systeme und Geschehnisse erschlossen werden.
Quellen und Personen
Als Quellen für die Untersuchung dienten in erster Linie Selbstzeugnisse (Korrespondenzen, Autobiographien) und Zeitungsartikel, sowie Akten aus Beständen der Zweiten Internationale und der rumänischen Geheimpolizei. Der Fokus lag auf Freundschaften die sich um die Personen Pavel Aksel’rod, Georgij Plechanov, Hermann Greulich, Robert Grimm, Lydia Dan, Cristian Racovski, Karl Kautsky und Constantin Dobrogeanu-Gherea bildeten.
Reale (Kongresse, Treffen) und virtuelle (Briefwechsel) Begegnungsorte waren als Ausdruck der «proletarischen Freundschaft» zu sehen, die sich laut dem sozialdemokratischen Ethos zwischen allen Mitgliedern des Netzwerks auszuwirken hatte. Aus vielen Bekanntschaften konnten aber auch tiefere, persönliche Freundschaften entstehen, so wie es der Fall war zwischen Constantin Dobrogeanu-Gherea und Pavel Aksel’rod, diesem und Georgij Plechanov, Rosa Grimm und Nadežda Krupskaja oder anderen. Die Kommunikation zwischen den Sozialdemokraten war aber nicht immer tragfähig, trotz der gemeinsamen Ziele und einer gewissen Emotionalität der Bindung. Anhand der Korrespondenzen ist Labilität vor allem in für die Akteure politisch turbulenten Zeiten nachzuweisen, aufgrund der engen Verbindung zwischen politischen und privaten Angelegenheiten.
Ergebnisse
Freundschaft und Beziehungen (persönliche Netzwerke) werden als historische Kategorien mit Erklärungswert untersucht. Die Beziehungen von Sozialdemokraten in Rumänien, Russland und der Schweiz an der Schwelle zum 20. Jahrhundert werden sichtbar gemacht und aus dem Blickwinkel ihrer Netzwerke, mit besonderer Berücksichtigung der Freundschaft, analysiert. Zusammenhänge zwischen unterschiedlichen Ebenen persönlicher Beziehungen (Kameradschaft, Solidarität, Familienersatz, Freundschaft) und zwischen Gesinnung und Loyalität bieten einen ergänzenden und neuartigen Ansatz zur Organisationsgeschichte.
Netzwerke und Freundschaft. Sozialdemokraten in Rumänien, Russland und der Schweiz an der Schwelle zum 20. Jahrhundert Verlag V & R Unipress: Göttingen 2011, 270 Seiten, 8 Abb.
Die sozialdemokratischen Bewegungen Europas waren oft Gegenstand historischer Untersuchungen. Die Forschungsliteratur hat sich aber überwiegend mit der Geschichte der Parteien oder einzelner Personen befasst. Diese Dissertation fragte hingegen nach dem Stellenwert persönlicher Nahbeziehungen in einer international operierenden und von Verfolgung bedrohten revolutionären Organisation. Dabei wurde davon ausgegangen, dass es eine typisch sozialistische Freundschaft mit eigenen Ritualen gibt. Im Mittelpunkt der Untersuchung standen Sozialdemokraten, die in Rumänien, Russland und in der Schweiz gewirkt haben (1880-1917).
In einer Zeit, in der Sozialdemokraten und Revolutionäre in Rumänien und Russland verfolgt waren, kam den Netzwerken und den Verbindungen zum westlichen Europa, insbesondere zur Schweiz, eine äußerst wichtige Bedeutung zu. Den zeitlichen Schwerpunkt meiner Arbeit bilden die Jahre von 1883, als in Genf die «Gruppe zur Befreiung der Arbeit» entstand, und 1915, als die internationale sozialistische Konferenz zu Zimmerwald in der Schweiz stattfand. In dieser Zeit formierten sich nicht nur die einzelnen sozialdemokratischen Parteien, sondern auch deren Friedensbewegung - unter dem Eindruck der Balkankriege 1912/1913, sowie die sogenannte «Zimmerwalder Bewegung» oder «Zimmerwalder Linke», die einen entscheidenden Einfluss auf die Friedensbewegung im Vorfeld und während des Ersten Weltkriegs ausübte. Darüber habe ich auch die Jahre davor und danach betrachtet, um mehr über die Entstehung und den Zerfall der sozialdemokratischen Netzwerke zu erfahren und insbesondere die Wichtigkeit von Freundschaft und persönlichen Beziehungen im Aufbau dieser Netzwerke herauszuarbeiten.
Aufgabe meines Dissertationsprojekts war es, die Beziehungen rumänischer, russischer und schweizerischer Sozialdemokraten aus dem Blickwinkel der Freundschaft, mit besonderer Berücksichtigung der Netzwerke, in denen sie agierten, zu beschreiben und zu analysieren. Die Kategorie «Netzwerk» diente dabei dazu, Strukturen persönlicher Beziehungen und deren Wirkungen für (politisches) Handeln herauszuarbeiten, die in traditionellen Arbeiten nicht ausreichend gewürdigt wurden. Welche Art von Beziehungen lag diesem Netzwerk zugrunde? Welche Rolle spielte die Freundschaft? Welches Verständnis von Freundschaft (persönliche, politische) hatten die Akteure? Auch die Frage nach den Praktiken innerhalb dieser Beziehungen, nach dem Selbstverständnis dieser, nach Sinnbildung und Kommunikationssymbolen sowie nach Wandlungen durch Interaktion wurde anhand verschiedener Beispiele beantwortet. Die Untersuchung von Kommunikationsprozessen der Sozialdemokraten untereinander, von Wechselwirkungen mit der Umgebung, den materiellen Bedingungen, den politisch-gesellschaftlichen Verhältnissen und den vorherrschenden Ideologien, rekonstruierte deren Lebenswelten aus der Akteurperspektive. Durch die Analyse der kommunikativen Handlungen und Diskurse der Akteure über nationale Grenzen hinweg konnten soziale Strukturen sowie politische Systeme und Geschehnisse erschlossen werden.
Quellen und Personen
Als Quellen für die Untersuchung dienten in erster Linie Selbstzeugnisse (Korrespondenzen, Autobiographien) und Zeitungsartikel, sowie Akten aus Beständen der Zweiten Internationale und der rumänischen Geheimpolizei. Der Fokus lag auf Freundschaften die sich um die Personen Pavel Aksel’rod, Georgij Plechanov, Hermann Greulich, Robert Grimm, Lydia Dan, Cristian Racovski, Karl Kautsky und Constantin Dobrogeanu-Gherea bildeten.
Reale (Kongresse, Treffen) und virtuelle (Briefwechsel) Begegnungsorte waren als Ausdruck der «proletarischen Freundschaft» zu sehen, die sich laut dem sozialdemokratischen Ethos zwischen allen Mitgliedern des Netzwerks auszuwirken hatte. Aus vielen Bekanntschaften konnten aber auch tiefere, persönliche Freundschaften entstehen, so wie es der Fall war zwischen Constantin Dobrogeanu-Gherea und Pavel Aksel’rod, diesem und Georgij Plechanov, Rosa Grimm und Nadežda Krupskaja oder anderen. Die Kommunikation zwischen den Sozialdemokraten war aber nicht immer tragfähig, trotz der gemeinsamen Ziele und einer gewissen Emotionalität der Bindung. Anhand der Korrespondenzen ist Labilität vor allem in für die Akteure politisch turbulenten Zeiten nachzuweisen, aufgrund der engen Verbindung zwischen politischen und privaten Angelegenheiten.
Ergebnisse
Freundschaft und Beziehungen (persönliche Netzwerke) werden als historische Kategorien mit Erklärungswert untersucht. Die Beziehungen von Sozialdemokraten in Rumänien, Russland und der Schweiz an der Schwelle zum 20. Jahrhundert werden sichtbar gemacht und aus dem Blickwinkel ihrer Netzwerke, mit besonderer Berücksichtigung der Freundschaft, analysiert. Zusammenhänge zwischen unterschiedlichen Ebenen persönlicher Beziehungen (Kameradschaft, Solidarität, Familienersatz, Freundschaft) und zwischen Gesinnung und Loyalität bieten einen ergänzenden und neuartigen Ansatz zur Organisationsgeschichte.
Netzwerke und Freundschaft. Sozialdemokraten in Rumänien, Russland und der Schweiz an der Schwelle zum 20. Jahrhundert Verlag V & R Unipress: Göttingen 2011, 270 Seiten, 8 Abb.
Advisors: | Haumann, Heiko |
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Faculties and Departments: | 04 Faculty of Humanities and Social Sciences > Departement Geschichte > Ehemalige Einheiten Geschichte > Osteuropäische und neuere Geschichte (Haumann) |
UniBasel Contributors: | Haumann, Heiko |
Item Type: | Thesis |
Thesis Subtype: | Doctoral Thesis |
Thesis no: | UNSPECIFIED |
Thesis status: | Complete |
Last Modified: | 12 Mar 2018 08:00 |
Deposited On: | 06 Feb 2018 11:27 |
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