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Schlüssel zur Macht. Verflechtungen und Informelles Verhalten im Kleinen Rat zu Basel, 1570 - 1600

Schüpbach, Samuel. Schlüssel zur Macht. Verflechtungen und Informelles Verhalten im Kleinen Rat zu Basel, 1570 - 1600. 1999, Doctoral Thesis, University of Basel, Faculty of Humanities and Social Sciences.

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Official URL: https://edoc.unibas.ch/60593/

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Abstract

Fasst der Titel die Hauptfrage der Studie, also wie die Angehörigen der (engen) politischen Elite Basels der Zeit ihre Zugangswege zu ihren eigenen Machtpositionen fanden, anwandten, konsolidierten und ausbauten bzw. wie sich diese verändern konnten, so formt der Untertitel die explizite Hauptthese dazu: durch das stete und ineinander verwobene Zusammenwirken der Verflechtungen und des informellen, also je nachdem pseudoprivaten oder pseudo-öffentlichen Verhaltens der Akteure in Politik, Berufsausübung und dem "privaten" Leben, welche ebenfalls untrennbar miteinander verwoben waren.
Die vorliegende Arbeit bewegt sich im Forschungskontext der soziopolitischen Strukturen der frühneuzeitlichen Stadt, welcher soziale Strukturanalyse mit politischer Funktions- und Formationsanalyse verbindet (Delumeau, Reinhard, Pullan, Scribner, Ozment, Schüler Braudels u.v.a.m.). Es geht also um die Verbindung von politischer und sozialer Paradigmatik - nicht um die Einkreisung der Sozialstruktur von Oberschicht - und damit auch um den Versuch dieser Forschungsansätze innerhalb der eidgenössischen Stadtgeschichte.
Die genuine Fragestellung der Studie bezieht sich in diesem Kontext auf die "Verflechtungen", also die formellen und informellen Verbindungen der politischen Führungselite in Basel im untersuchten Zeitraum von ca. 1540 bis 1640 (Untersuchte Kleinräte im Amt 1570-1600 ergibt den Ausgriff der Analyse auf deren jeweilige gesamte Lebenszeit), sowie auf die Rolle ersterer für die Formierung der Eliteschicht als quasi-fürstliche Obrigkeit: Es geht um die Sozialisation der Macht, und diese Fertigkeit nenne ich "Schlüssel zur Macht".
Die Arbeit erzählt gleich zu Beginn von Teil I eine äusserst heftige Auseinandersetzung im engsten Kreis der Basler Machtträger, deren praktisch (Bulletin No. 14/2000 / Dissertation Samuel Schüpbach S.1f.) "tödliche" Dimensionen die Involvierten gerade wegen der Veröffentlichung dieses Eklats unbeschadet an Ehre und Existenz überlebten. Davon leitet sich die methodologisch-dynamische Hauptfrage der Untersuchung ab, welche Rolle denn jeweils Exponierung und Verschweigen in den machtbezogenen Sozialisationsstrategien der untersuchten Gruppe spielten. Aus der Hypothese einer hohen internen Sozialflexibilität der Oberschicht und ihrer latenten Offenheit gegenüber anderen Gruppierungen folgt das Konzept von Nahbetrachtung und Einzelfallanalyse (Narration und Diskursanalyse), um der Komplexität der politischen Selbstfixierung der obrigkeitlichen Elite gerecht zu werden.
Teil II der Arbeit zeichnet innenpolitische, wirtschaftliche und aussenpolitische Voraussetzungen des Basler Kleinen Rates als implizite Paradigmen der Macht nach, problematisiert die spezifischen politischen Organisationen dieses Gremiums - insbesondere des nominalen und realen Machtzentrums des Dreizehnerrates inklusive der Häupter - und schickt einige wichtige Grundsätze seiner politischen Ideologie voraus.
Teil III geht von der ausführlich analysierten "Normalkarriere" des bekannten und mächtigen Politikers und Handelsmanns Andreas Ryff aus und präsentiert eine Typologie unterschiedlicher Karrierewege, bis hin zu einem prominenten Beispiel einer negativen Karriere, also eines markanten Abstiegs und Niederganges eines ganzen Geschlechts (Meyer zum Pfeil).
Teil IV erarbeitet Verflechtungsmodelle. Dazu wird das Clanmodell nach J.Heers beigezogen, welches dieser auf die europäische urbane Geschichte der Vormoderne übertragen hat. Zwei profund analysierte Familienclans werden mit politisch fassbaren Gruppenclans konfrontiert und ihre gegenseitigen Überschneidungen herausgearbeitet. Dabei zeigt sich ein Unterschied zwischen den eher "privat" orientierten Familienverbänden und den eher "öffentlichen" Erscheinungsformen politisch motivierter Faktionierungen: Erstere suchten ihre Macht v.a. über die vielfach vorhandenen Möglichkeiten der Institutionalisierung geknüpfter Beziehungen in Verwandtschaft, Ehe, Taufpatenschaften, Vormund- und Bürgschaften zu stabilisieren und auszubauen. Letztere bezogen dies ein, griffen aber in pointierter Wahrung ihrer politischen Gruppeninteressen auch gegenüber dem übrigen Rat, der Bürgerschaft und der Stadt deutlich weiter aus.
Teil V versucht die (skandalöse) Sichtbarkeit und die Schlüsselpositionierung der Machtansprüche der jeweils betrachteten Eliteverteter - Einzelner und Gruppen - analytisch zu verbinden. Dazu ziehen wir diejenigen aufgefundenen Fälle von Exponierungen bei, die teilweise sicher als glückliche Quellenangebote aufgespürt werden konnten, die aber auch als strategische (Re)Präsentationen der Untersuchten selbst verstanden werden. Dieser grösste Teil der Studie bietet 16 Fallanalysen an - das Eröffnungszenario in (I) (s.o.) dazugerechnet - in acht thematische Segmente gegliedert. (Bulletin No. 14/2000 / Dissertation Samuel Schüpbach S.2).
Der letzte Teil (VI) verarbeitet die in (V) verfolgten Fälle zunächst in eine Idealtypologie. Wir fragen nach Möglichkeiten und Grenzen der Idealtypisierung, also des zuvor gebotenen "Samplings", und nach der Wirksamkeit der impliziten machtrelevanten Verhaltensparadigmen im konkreten historischen Einzelfall. Ins Zentrum stellt dieser Teil die Problematik des Verschweigens: Das Verbergen und die Ostentation des politischen Geheimnisses waren entscheidend für die obrigkeitlich-elitäre Machtstrategie. Umgekehrt wurde das Exponieren willkürlich oder unwillkürlich auch für dieselbe Strategie nutzbar gemacht - aber nur vor dem Hintergrund des Verschweigens... Der Kontext dieser Erkenntnis führt zum Schluss, der entlang der einleitend explizierten These (s.o.) als Zusammenfassung der Gesamtanalyse gelten kann: "Die Schlüssel zur Macht waren in jeder Generation von wenigen Mitgliedern des inneren Zirkels geprägt und von der nominalen inneren Führungsspitze und einigen funktional gleich mächtigen Kleinräten mitgetragen. Diese Gruppe und ihre einzelnen Mitglieder garantierten sich ihren Zugang zur Macht durch Verflechtungen, gegenseitige Unterstützung und Begünstigung in Machtfragen, Politisierung ihrer Privatinteressen, Individualisierung ihrer Politik, konsentives Verbergen ihrer Wege zur Macht und Ostentation des jeweiligen politischen Geheimnisses als feste Bestandteile dieser Wege, sowie durch ihre gezielte Exponierung gegenüber anderen und/oder der Gesamtobrigkeit, oder durch ihre Reaktion auf Exponierungen, beides in machtrelevanten Momenten, die jeweils die meisten der soeben genannten Schlüssel zur Macht in sich bargen bzw. vereinigten." Die oben angeführten "Samples" von Exponierungen explizieren zusammen mit den Prosopographien sämtlicher Kleinräte der untersuchten Zeit (Anhang: Band 2) einen dichten Beleg für die der Studie implizite Eingangsthese der urbanen Elite als autopoetische Gruppe, die die Schlüssel zur Macht in ihren Händen hat. Soziale und politische Macht sind interaktiv; das Eine ist nicht etwa ein Derivat oder Dedukt des Anderen. Am Ende dieses Prozesses fällt eine zwar sozial durchlässige, aber politisch gefestigte, ja fast fixierte, enge Elite innerhalb der Obrigkeit auf, die sich wie ein kollektiver Fürst nach Machiavellis Muster ausnimmt.
Advisors:Freiherr von Müller, Achatz
Faculties and Departments:04 Faculty of Humanities and Social Sciences > Departement Geschichte > Ehemalige Einheiten Geschichte > Geschichte des Mittelalters (Freiherr von Müller)
UniBasel Contributors:Freiherr von Müller, Achatz
Item Type:Thesis
Thesis Subtype:Doctoral Thesis
Thesis no:UNSPECIFIED
Thesis status:Complete
Last Modified:12 Mar 2018 08:00
Deposited On:06 Feb 2018 11:28

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