Wenk, Alexandra. Die sowjetische Raumfahrt. Analyse der Berichte in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und dem Neuen Deutschland. 2009, Master Thesis, University of Basel, Faculty of Humanities and Social Sciences.
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Abstract
EinleitungMeine Lizentiatsarbeit beschäftigt sich mit einer Analyse der sowjetischen Raumfahrt anhand von Berichten der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) und des Neuen Deutschlands (ND). Aus der großen Fülle des Materials habe ich dazu fünf Ereignisse (vier aus der UdSSR und eines aus den USA) aus dem Kernzeitraum (1957-69) des Wettrennens ins All zwischen den USA und der UdSSR ausgewählt. Der Wettlauf ins All war in diesem Zeitabschnitt eng mit dem «Kalten Krieg» zwischen der UdSSR und den USA verbunden und spielte auf mehreren Ebenen (z.B. Propaganda, Rüstungswettkampf) eine Rolle. In diesen Jahren beanspruchte dieser Wettstreit riesige menschliche und ökonomische Ressourcen und war an seinen Kosten gemessen der größte wissenschaftliche und technische Wettbewerb aller Zeiten. Für meine Lizarbeit habe ich die folgenden fünf Ereignisse ausgewählt.Der Start des sowjetischen Satelliten Sputnik 1 am 04.10.1957 war der erste erfolgreiche Start eines künstlichen Satelliten ins All und läutete das Weltraumzeitalter ein. Sputnik 1 war ein menschlicher Meilenstein ohne historischen Vorläufer. Gleichzeitig war er ein enormer Propagandaerfolg und Prestigesieg der UdSSR über die USA im Zuge des Systemwettstreits. Mit Sputnik 1 begann die heiße Phase des Wettlaufs ins All und führte den USA die reale Möglichkeit einer Dominanz der UdSSR vor Augen.Einen weiteren Erfolg der UdSSR gegen die USA im Rahmen des Wettlaufs ins All stellt der Start von Sputnik 2 mit der Hündin Laika an Bord (07.11.1957) dar, bei dem erstmalig ein Lebewesen ins All gebracht wurde. Laikas Flug lieferte den ersten Hinweis, dass auch ein Mensch im All überleben könnte. Mit dem Start von Wostok 1 am 12.04.1961 gelang es den UdSSR mit Juri Gagarin als erste Nation einen Menschen ins All zu schicken. Gagarins Flug war ein wichtiger Meilenstein bei der Weltraumerforschung und ein bedeutendes Ereignis in der Menschheitsgeschichte. Dies war im Kontext der Systemauseinandersetzung ein weiterer Schlag gegen die USA und veranlasste den amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy dazu anzukündigen bis Ende der 1960er Jahre einen Menschen auf den Mond und sicher zurück zu bringen. Damit begann der Wettlauf zum Mond, der von den USA konsequenter und organisierter durchgeführt wurde als von der UdSSR.Der Flug von Woschod 2 (18.03.1965) bei dem der sowjetische Kosmonaut Alexej Leonov als erster Mensch frei an einer Leine im All schwebte, war sowohl der Höhepunkt des sowjetischen Weltraumprogramms als auch der Endpunkt von spektakulären Flügen und Erstleistungen der UdSSR, die mit Sputnik 1 begonnen hatten.Die Landung von Apollo 11 am 20.07.1969 auf dem Mond und dem damit einhergehenden erstmaligen Betreten der Mondoberfläche durch Neil Armstrong und Edwin Aldrin wurde als das repräsentative Ereignis aus der amerikanischen Raumfahrt ausgewählt. Die Mondlandung war einer der kennzeichnenden Momente des 20. Jahrhunderts und die Erfüllung eines großen Menschheitstraums. Gleichzeitig stellt die Mondlandung in Hinblick auf das Wettrennen ins All zwischen den USA und der UdSSR den absoluten Höhepunkt dar und markiert das Ende der Epoche in dem dieser Wettstreit eine wichtige Komponente der Systemauseinandersetzung darstellte.Fragestellung In meiner Lizarbeit ging es mir darum herauszufinden, welche Gemeinsamkeiten und / oder Unterschiede sich in der Berichterstattung über die fünf ausgewählten Ereignisse – Sputnik, Laika, Jurij Gagarin, Woschod 2 und Apollo 11 – in der FAZ und dem ND finden lassen. Wie können diese erklärt bzw. interpretiert werden? Anhand dieser Fragestellung wurde untersucht, wie sich Gemeinsamkeiten und Unterschiede bemerkbar machen, und zwar zum einen auf der formalen und zum anderen auf der inhaltlichen Ebene. An diesen Punkt knüpft sich die Frage an, was diese Gemeinsamkeiten und / oder Unterschiede in den Berichten über den größeren Kontext («Kalter Krieg») aussagen bzw. in wieweit er in den Zeitungen widergespiegelt wird. Quellenmaterial Für die Analyse der fünf Ereignisse wurde zum einen die Berichterstattung der FAZ und zum anderen diejenige des ND verwendet. Die FAZ ist eine der überregionalen Tageszeitungen Deutschlands und eher politisch traditionell und konservativ ausgerichtet. Für meine Arbeit habe ich sie ausgewählt, da sie während des Untersuchungszeitraums der CDU/CSU nahe stand, die nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst alleine (bis 1961), dann in einer Koalition mit der FDP (bis 1966) und danach in einer großen Koalition (1966 bis September 1969) mit der SPD immer regierte bzw. den Bundeskanzler stellte. Daher schien mir die FAZ eine gute Wahl als eine Art «Tendenzgeber» für die westdeutsche regierungstreue Linie im «Kalten Krieg».Das ND war das Zentralorgan der neugegründeten SED, deren Tageszeitungen eine führende Rolle im Gesamtbestand der Tagespresse der DDR hatten. Die Bedeutung des ND liegt in seiner Rolle als Flaggschiff aller SED Zeitungen, und somit als «Sprachrohr» der SED. Da das ND Instrument der politischen Führung war, kann man durch die Berichterstattung gut auf die offizielle Haltung der SED und damit auch der DDR schließen. Dadurch kann diese Zeitung als ein Stellvertreter des Ostblocks im «Kalten Krieg» gewertet werden. MethodikUm die Datenmenge in einem für eine Lizentiatsarbeit zu bewältigenden Rahmen zu halten, wurde bei allen fünf Ereignissen in beiden Zeitungen ein Beobachtungszeitraum von 17 Tagen (zwei Tage vorher, Tag des Ereignisses und 14 Tage nachher) festgelegt. In diesem Zeitraum wurden alle Artikel und Bilder in die Analyse aufgenommen, die sich mit dem Ereignis in irgendeiner Form befassten. Das auf diese Weise gesammelte Quellenmaterial belief sich auf 606 Artikel (ND: 373, FAZ: 233) und 149 Bilder (ND: 112, FAZ: 37). Als Analysemethodik wurde die Inhaltsanalyse gewählt. Um das umfangreiche Quellenmaterial im Rahmen der Lizentiatsarbeit bewältigen zu können, wurde nur ein Teil ihrer Grundlage angewendet, und zwar das Kategoriensystem. Dieses wurde in der Arbeit in einer vereinfachten Form verwendet. Jeder Artikel wurde als eine Einheit betrachtet, von der bestimmte «Kategorien» (Tag, Überschrift, Platzierung, Form, Länge, Urheber, mehrseitiger Artikel, Inhalt, Anmerkungen) erfasst wurden. Die Bilder wurden mit einem etwas abgewandelten Kategorienschema aufgenommen. Die so gewonnenen Daten bilden die Grundlage der Analyse.ErgebnisseIm Folgenden sollen nun die wichtigsten Ergebnisse meiner Lizentiatsarbeit vorgestellt werden.Auf der formalen Ebene zeigte sich, dass bei den sowjetischen Ereignissen das ND immer deutlich mehr Artikel zum Thema veröffentlichte als die FAZ, wobei der Abstand bei der Berichterstattung um den Flug von Gagarin am Größten ist. Das Verhältnis kehrt sich bei Apollo 11 um, wo die FAZ erstmals mehr Artikel veröffentlicht als das ND. Das gleiche Bild lässt sich auch bei den Bildern aus beiden Zeitungen feststellen. Dieses Muster zeigt, dass die Berichterstattung über die Raumfahrt durch den Kontext der Systemauseinandersetzung geprägt war, da man lieber mehr über die Erfolge der «eigenen Seite» berichtet als über die der anderen. Auf der sprachlichen Ebene zeigt sich, dass in den Kommentaren des ND mehr ideologisch konnotierte Begriffe und Ausdrücke vorkommen als in der FAZ. Ebenfalls ist der Schreibstil des ND im Allgemeinen lebendiger als derjenige der FAZ, die eher sachlich-nüchtern schreibt. Das ND bekam Argumentationsanweisungen und Instruktionen von der SED. Daher kann man die ideologisch konnotierten Begriffe und Ausdrücke im ND als Produkt des sozialistischen Systems der DDR ansehen und damit auch einen gewissen Zusammenhang mit dem Systemwettstreit herstellen. Der eher nüchterne Sprachstil der FAZ ist hingegen ein Produkt ihrer marktpolitischen Linie, die sich durch das ganze Blatt zieht.Verschiedene Motive und Themen fanden sich bei allen fünf Ereignissen sowohl in der FAZ als auch im ND wieder. So erkennen beide Zeitungen die Ereignisse als eine tolle wissenschaftliche Leistung an, wobei das ND bei den sowjetischen Erstleistungen eine ausdrucksstärkere Sprache verwendet als die FAZ. Bei Apollo 11 lässt sich das genaue Gegenteil beobachten. Ebenfalls verbinden beide Zeitungen alle fünf Ereignisse immer mit dem Wettlauf ins All. Das ND sieht alle vier sowjetischen Erstleistungen als deutlichen Sieg für die UdSSR. Diese Meinung wird bei Sputnik und Laika von der FAZ geteilt. Bei Gagarin und Woschod 2 erkennt die FAZ zwar die Leistung an, aber der Vorsprung der UdSSR gegenüber den USA wird nicht mehr als bedrohlich empfunden. Bei Apollo 11 betont die FAZ hingegen deutlicher als das ND den Sieg der USA über die UdSSR beim Wettrennen ins All.Beide Zeitungen verbinden die Raumfahrterfolge mit den beiden deutschen Staaten. Dem ND geht es hierbei vor allem darum zu zeigen, dass die DDR auf der richtigen Seite im Systemkonflikt steht und die BRD auf der falschen. In der FAZ hingegen wird der Schwerpunkt auf die Frage nach der deutschen Beteiligung gelegt.Neben diesen eher verbindenden Mustern finden sich auch viele Unterschiede in der Berichterstattung der beiden Zeitungen. Das ND verbindet die sowjetischen Ereignisse immer mit dem Frieden und dem friedliebenden System des Sozialismus, das damit als Gegenpol zum kriegstreiberischen Westen präsentiert wird. Ein weiteres durchgehendes Motiv im ND ist die Verbindung zwischen der jeweiligen sowjetischen Erstleistung und dem sozialistischen Gesellschaftssystem, womit die Erfolge im All als Beweis dafür gesehen werden, dass der Sozialismus dem Kapitalismus und dem Westen überlegen ist. Ein weiteres Motiv im ND in Hinblick auf Laika, Gagarin und Woschod 2 ist die Kombination dieser Erstleistungen mit der Beherrschung der Natur(-kräfte) durch den Menschen. All diese Verbindungen der sowjetischen Ereignisse mit politisch-ideologischen Momenten finden sich in der FAZ nicht, da diese Argumentation dem Sozialismus dient und nicht dem westlichen Kapitalismus, dem die FAZ nahe steht.Die FAZ hingegen betont deutlich stärker den Zusammenhang zwischen den Raumfahrtleistungen und der militärischen Komponente des Wettrüstens zwischen beiden Supermächten. Am deutlichsten lässt sich dies bei Sputnik und Laika erkennen, die nicht nur als wissenschaftlicher Erfolg angesehen werden, sondern auch als militärische Bedrohung empfunden werden, da die Trägerrakete dieser beiden Satelliten auch die USA erreichen kann. Apollo 11 wird von der FAZ auch als militärischer Sieg der USA gegenüber den UdSSR verkauft, da diese mit der Saturn 5 die mächtigste Rakete der Welt haben. Ebenfalls übt die FAZ in den Beiträgen zu den Raumfahrtleistungen stärker Kritik an der eigenen Seite als das ND. So finden sich in der westdeutschen Zeitung durchaus kritische Bemerkungen zur Politik der BRD (Forschung), Europa (kein gemeinsames Handeln) und USA (Vietnamkrieg, Geld für Mondlandung besser für Lösung von anderen Problemen). Im ND findet man hingegen nur Kritik am gegnerischen System. Abschließend kann man im Hinblick auf die Fragestellung sagen, dass sich in der Berichterstattung der FAZ und des ND sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede feststellen lassen. Bei der Interpretation dieser Ergebnisse kann man festhalten, dass sich durch sie Aussagen über den größeren Kontext der Systemauseinandersetzung treffen lassen. Daneben können Verbindungen mit anderen Zusammenhängen, wie etwa die Beziehungen zwischen den beiden deutschen Staaten oder Kritik an der Politik der USA in Bezug auf Vietnam und die innenpolitischen Probleme von Armut und Rassenfrage, festgestellt werden. Der Kontext des «Kalten Krieges« kommt bei der Berichterstattung über alle fünf Ereignissen in beiden Zeitungen mal mehr mal weniger deutlich vor. Zusammenfassend kann man festhalten, dass die FAZ und das ND die Systemauseinandersetzung in ihren Artikeln über die Eroberung des Weltraums widerspiegeln und zwar sowohl auf der formalen als auch auf der inhaltlichen Ebene. Formal gesehen kann man dies v.a. am Umfang der jeweiligen Berichterstattung und am Vorkommen von Artikeln auf der Titelseite erkennen. Auf der inhaltlichen Seite zeigt sich diese Reflektion des Kalten Krieges vor allem dadurch, dass im ND bei den sowjetischen Leistungen Anerkennung und Lob für die Tat sehr deutlich ausfallen und dass sie in Verbindung mit politisch / ideologischen Momenten gebracht werden. Bei Apollo 11 hingegen wird auf solche Verknüpfungen verzichtet und erklärt, dass die Mondlandung keine Überlegenheit des kapitalistischen Systems zeigen würde. Die FAZ reflektiert inhaltlich die Systemauseinandersetzung vor allem dadurch, dass sie bei den sowjetischen Erfolgen abstreitet, dass sie eine Bedeutung haben, die über den direkten Zusammenhang mit dem Wettrennen ins All hinausgeht und dadurch dass Sputnik und Laika als Zeichen für eine militärische Bedrohung durch die UdSSR aufgefasst werden.
Advisors: | Haumann, Heiko |
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Faculties and Departments: | 04 Faculty of Humanities and Social Sciences > Departement Geschichte > Ehemalige Einheiten Geschichte > Osteuropäische und neuere Geschichte (Haumann) |
UniBasel Contributors: | Haumann, Heiko |
Item Type: | Thesis |
Thesis Subtype: | Master Thesis |
Thesis no: | UNSPECIFIED |
Thesis status: | Complete |
Last Modified: | 12 Mar 2018 08:02 |
Deposited On: | 06 Feb 2018 11:30 |
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